Dollar am Morgen

Gierig nach Gründen für Optimismus

am
16. Juli 2020

EUR USD (1,1410)             Wie momentan Nachrichten zur Corona-Pandemie aufgenommen werden, verrät, worauf viele Teilnehmer an den Finanzmärkten derzeit geradezu gieren. So gab es gestern zum Beispiel ermutigende Neuigkeiten zur Erforschung eines Impfstoffs gegen das Covid-19-Virus – angeblich ist u. a. die US-Biotech-Firma Moderna dabei einen guten Schritt vorangekommen. Zumindest zeigt eine Studie erste hoffnungsvolle Ergebnisse. Und wer die Finanzmarkt-Kommentare zu diesem Thema durchgeht, könnte bei der Lektüre durchaus einiges Expertenwissen anhäufen. Zumindest entsteht der Eindruck, als ob die Inhaber dieses Wissens in Zukunft bessere Prognosen zu den Entwicklungen an den Finanzmärkten abgeben könnten. Anscheinend gibt es einige Währungsstrategen, die zu Hause im Nebenfach einen Grundkurs in Biologie absolvieren.

 

Und die Angst, nach oben etwas zu verpassen

Aber genau genommen bedarf es dieses Wissens eigentlich gar nicht. Ein Blick auf die Aktienmärkte dies- und jenseits des Atlantiks zeigt, dass negative Nachrichten zur Corona-Pandemie als Motiv für Gewinnmitnahmen bestenfalls dafür gut sind, eine kleine Abwärtskorrektur auszulösen. Rücksetzer, die von den Märkten aus Angst, etwas zu verpassen, bereits am kommenden Tag durch Aktienkäufe wieder aufgefangen werden. Was die alltägliche Bekanntgabe der Corona-Infektionszahlen betrifft, scheinen die Akteure selbst, wenn ein deutlicher Anstieg der Infektionen zu verzeichnen ist, mittlerweile recht abgestumpft zu sein.

Ganz anders das Bild, wenn auch nur der Hauch einer Hoffnung auf einen Impfstoff durch die Finanzmedienlandschaft weht. Mit anderen Worten: Positive Nachrichten werden zumindest international stärker als negative bewertet. Zumal die internationalen Fondsmanager, so die am Dienstag publizierte Umfrage der Bank of America, über noch genügend Pulver verfügen, um an einem etwaigen Kursfeuerwerk teilzunehmen. 

 

… aber (noch) nicht hierzulande

Lediglich die von der Börse Frankfurt befragten hiesigen pessimistischen institutionellen Investoren (die gestrige Umfrage habe ich HIER kommentiert) scheinen noch zu überlegen, ob sie  das Handtuch werfen oder doch noch einen größeren Rücksetzer des DAX abwarten sollen. Vermutlich wird sich diese Fragestellung erst auflösen, wenn das Börsenbarometer die 13.000er Marke überwunden hat.

 

Von der Risikofreude der Aktienmarktteilnehmer profitierte auch der Euro, der mit rund 1,1450 immerhin ein Viermonats-Hoch markierte. Allerdings verließen die Gemeinschaftswährung zum hiesigen Handelsschluss wieder einmal die Kräfte, so dass vom Tagesgewinn nicht mehr viel übrig blieb. Gut möglich, dass die Akteure wegen der heute stattfindenden Sitzung des EZB-Rates noch etwas Vorsicht walten lassen. Denn einige Kommentatoren äußerten die Befürchtung, es könne heute im EZB-Rat womöglich darüber diskutiert werden, wie man möglichst bald schon einen Teil der Stimulus-Maßnahmen gegen die Folgen der Corona-Krise zurückfahren könnte.

 

EZB-Sitzung sorgt für Spekulationen

Denn der ökonomische Ausblick für die Eurozone hat sich gegenüber demjenigen von vor ein paar Wochen sicherlich leicht verbessert. Zumal die Mitgliedstaaten im Gegensatz zu den USA und anderen Teilen der Welt ihre ökonomischen Motoren bislang anwerfen konnten, ohne eine zweite Covid-19-Welle auszulösen. Allerdings wäre eine derartige Diskussion nach Ansicht von Kommentatoren viel zu früh, zumal man skeptisch sei, ob alle EU-Staaten beim Gipfel am Freitag in Sachen Wiederaufbaufonds mitziehen würden.

Wie schleppend die derzeitige Aufwärtsentwicklung des Euro per Saldo trotz aller Risikofreude von statten geht, wird daran ersichtlich, dass dieser gegenüber dem US-Dollar seit seinem letzten ausgeprägteren Tief vom 23. Juni mehr als drei Wochen benötigte, um gerade einmal 240 Stellen zuzulegen. Auch wenn damit derzeit noch kein schön geschnittener kurzfristiger Aufwärtstrend erkennbar ist, bleibt die Gemeinschaftswährung insgesamt in günstiger Position, solange sie sich nun oberhalb von 1,1335/40 bewegt.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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