Dollar am Sonntag

Gegenwind für Dollar-Bären

am
10. Januar 2021

Eine bemerkenswerte erste Handelswoche im neuen Jahr liegt hinter uns. Nicht nur, dass Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump ins Kapitol in Washington eingedrungen waren und die Finanzmärkte auf diesen „Angriff auf die Demokratie“ praktisch nicht reagierten. Oder in der Stichwahl in Georgia die beiden verbliebenen Senatssitze von den Demokraten erobert werden konnten, so dass es nun auch noch eine hauchdünne Mehrheit im Senat für den designierten Präsidenten Joe Biden gibt. Und weil damit der Weg für möglicherweise massive fiskalpolitische Stimulus-Pakete frei sein könnte, feierten nicht nur die US-Aktienmärkte, sondern auch der hiesige DAX neue historische Höchststände.

 

US-Renditen treibende Kraft

Viel wichtiger ist jedoch die Entwicklung an den US-Anleihemärkten einzuschätzen, wo die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen zum ersten Mal seit März 2020 wieder die 1-Prozentmarke überschritten hat. Allein der US-Dollar wollte seinen Abwärtstrend nicht fortsetzen. Wo doch infolge der wachsenden Risikofreude und der gestiegenen Reflationserwartungen in Anbetracht der vorgezeichneten gigantischen staatlichen Ausgabenprogramme und den damit verbundenen massiven Haushaltsdefiziten alle Vorzeichen scheinbar auf „Verkaufen“ standen. Stattdessen gewann die US-Valuta etwa gegenüber dem Euro am Freitag weiterhin an Wert und drückte die Gemeinschaftswährung zeitweise auf den niedrigsten Stand seit dem 28. Dezember (1,2190). Man könnte es auch anders ausdrücken: Die Kursgewinne, die seit Mitte Dezember, als der Euro zum ersten Mal seit April 2018 die Marke von 1,22 überschritten hatte, waren dahin.

 

US-Fiskalpaket kein Selbstläufer

Dies ist insofern bemerkenswert, als der US-Arbeitsmarktbericht für Dezember mit einem Rückgang von 140.000 Stellen außerhalb der Landwirtschaft nicht nur die Medianerwartung der Ökonomen enttäuschte. Vielmehr zeigen die jüngsten Zahlen, denen zufolge im Freizeitsektor und dem Gastgewerbe fast eine halbe Million Stellen wegen der Covid-19-Krise verloren gingen, dass ein Stimulus-Paket dringend vonnöten ist. Kein Wunder, dass der designierte Präsident Joe Biden von einem Programm im Billionenbereich sprach, das er am kommenden Donnerstag genauer erläutern wird. Und im Rahmen dieses Paketes sollen die Bürger endlich die sehnlichst erwarteten 2.000 USD-Schecks bekommen.

Dass dieses Vorhaben kein Selbstläufer ist, wurde am Freitag in einem CNBC-Beitrag deutlich. Darin nahm man Bezug auf ein Statement des einflussreichen demokratischen Senators Joe Manchin, der hinsichtlich der Freigabe besagter Schecks anscheinend noch Vorbehalte zu haben scheint und in Sachen Stimulus-Programm noch keine Entscheidung gefällt hat. Sollte seine Stimme im schlimmsten Fall im Senat ausfallen, besäßen die Demokraten theoretisch keine Mehrheit mehr. Zumindest wird deutlich, dass der Weg Joe Bidens in Richtung Arbeitslosenversicherung, Mietstundungen und Erlass von an Studenten verliehene Darlehen nicht ohne Hindernisse innerhalb der Demokratischen Partei sein wird.

 

Tapering-Fantasien

Aber auch wenn die Zeichen für ein großes Stimulus-Programm eigentlich nicht schlecht stehen, wurde der Anstieg der langlaufenden Renditen bei den US-Staatsanleihen auch noch durch Stimmen von Vertretern der US-Notenbank gefördert. Dort war nämlich in der vergangenen Woche nicht nur von einem Mitglied des Offenmarktausschusses (FOMC) zu vernehmen, man könne sich bereits im Laufe des Jahres ein Ende der ultra-lockeren Geldpolitik vorstellen. Wir erinnern uns: Es ist gerade etwas mehr als ein Monat her (vgl. auch meinen Kommentar HIER), da machte Fed-Chef Jerome Powell einmal mehr klar, dass sich die Wirtschaft ohne ein Stimulus-Programm der Fiskalpolitik nicht erholen könne.

Plötzlich scheint die Welt eine andere zu sein, wenn man hier und da innerhalb des FOMC über ein sogenanntes Tapering, ein langsames Zurückfahren der expansiven Geldpolitik laut nachdenkt. Auch wenn etwa der stellvertretende Fed-Chef Richard Clarida am Freitag derartige Überlegungen herunterspielte, hat er zumindest kein größeres Problem damit, dass die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen am Freitag bei 1,12 Prozent lag.

Euro korrigiert

Nimmt man das noch nicht ganz in trockenen Tüchern befindliche Fiskalpaket in den USA und die sich mehrenden hawkishen Stimmen innerhalb der Fed zusammen, sollte es nicht wundern, dass sich oben genannte Dollar-Nachfrage eingestellt hat. Und man kann davon ausgehen, dass sich die leichte, noch korrektive Stärke des Greenback fortsetzen wird. Zumindest passt eine derartige Entwicklung den in der Mehrheit befindlichen Dollar-Bären überhaupt nicht ins Konzept. Der Euro hat jedenfalls im Rahmen seines immer noch vorherrschenden Aufwärtstrends am Freitag an Momentum verloren und befindet sich nunmehr am Beginn einer abwärts gerichteten Korrekturbewegung. Diese ist erst wieder mit Überschreiten von 1,2315 beendet.

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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