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Für wen die Glocke zweimal schlägt

am
16. September 2013

Es gibt nicht wenige Menschen, die sich freuen, wenn Persönlichkeiten stürzen, denen eine besonders große moralische Integrität nachgesagt wird. Pikant wird es vor allem, sofern es sich dabei auch noch um Diener Gottes handelt, und noch pikanter, wenn sie in Gelddingen gefehlt haben.

Eine solche Geschichte konnte man kürzlich in der online-Ausgabe der Neue Zürcher Zeitung (NZZ) nachlesen. Unter der Überschrift „Wenn Priester sich verzocken“ wurde darin geschildert, wie sehr sich Sloweniens katholische Kirche in den vergangenen Jahrzehnten wie ein Wirtschaftsimperium geriert, das, um der Rendite willen, mit viel Gottvertrauen gewagte Strategien erprobt habe und auch nicht vor riskanten Investments zurückgeschreckt sei. Aber nun ist das Kind in den Brunnen gefallen, weil insbesondere die Erzdiözese Maribor bei diesen Investitionen kein allzu glückliches Händchen bewiesen haben soll. In dem Beitrag der NZZ, dem man eine gewisse Häme nicht absprechen kann, ist von „Ausflügen in spekulative Finanzgeschäfte“ die Rede, wobei die Diözese einen riesigen Schuldenberg angehäuft haben soll: Verbindlichkeiten von 800 Millionen Euro seien entstanden, schätzt man.

Dabei ging die Erzdiözese offenbar ganz klassisch vor wie viele andere Anleger auch und legte sich ein breit gestreutes, also sorgfältig diversifiziertes Portfolio an, zu dem Investments in Baukonzerne, Verlagshäuser, Brauereien, Finanzinstitute und Fluggesellschaften gehörten. Bei dieser großen Vielfalt war den geistlichen Shareholdern zunächst entgangen, dass ihre Kirche auch zum  Anteilseigner des Fernsehunternehmens T-2 geworden war, und dieser Sender weigerte sich hartnäckig und trotz mehrfacher Proteste, auf die Ausstrahlung pornografischer Sendungen zu verzichten. „Sex sells“, sagt man. Aber auch T2 gehörte zu den großen Verlustbringern im Portfolio der Diözese.

Organisiert wurden diese Investments laut  NZZ über eine Steuerungsgesellschaft „Gospodarstvo Rast“, zu Deutsch: „Wirtschaftswachstum“. Und diese Gesellschaft  wiederum kontrollierte zwei Finanzholdings mit dem ebenso wohlklingenden Namen “Zvon Ena“ („Glocke 1“) und „Zvon Dva“ („Glocke 2“). Dieser doppelte Glockenschlag soll zeitweise zu den größten Investmenthäusern des Landes gehört haben.

 

Die Mitra genommen

Kein Wunder also, dass sich der neue, weltweit geliebte Papst Franziskus unlängst von seiner harten Seite zeigte, da diese Finanzspekulationen der slowenischen Kirche nicht zu dem vom Kirchenoberhaupt hochgehaltenen Ideal der Bescheidenheit und Zurückhaltung passen: So mussten im August dieses Jahres die beiden Erzbischöfe des Landes ihre Mitra nehmen. Fast schon zwangsläufig wurden bei den „Aufräumarbeiten“ in Maribor auch noch etwaige illegale Machenschaften entdeckt, die ein Anlagestratege, der im Auftrag der Erzdiözese deren Finanzgeschäfte betrieben hatte, begangen haben soll. Er muss sich nun vor Gericht dafür verantworten.

Während der Umfrage einer Tageszeitung zufolge 74 Prozent der Slowenen die Entlassung der Erzbischöfe begrüßen, empfinden viele Kirchenvertreter den Rauswurf dieser beiden hohen Würdenträger als unverhältnismäßig. Schließlich hat die Erzdiözese Maribor doch nicht anders gehandelt als viele andere mehr oder weniger große Investoren, zu denen übrigens in ganz Europa etliche Kirchen und Bistümer zählen. Denn sie alle wollen doch lediglich den Wert der ihr zugeflossenen Vermögen erhalten und sei es durch eine einkömmliche Rendite. Dass man sich dabei professioneller Institutionen bedient, halte ich zunächst nicht für verwerflich – selbst ganze Staaten haben eigene Fondsgesellschaften, etwa zur Verwaltung ihrer Devisenreserven. Auch ist nirgendwo zu lesen, dass die Erzbischöfe die Erträge von Glocke 1 und Glocke 2 zur Aufbesserung ihres eigenen Lebensstils oder beispielsweise zum Bau eines prachtvollen Bischofsitzes genutzt hätten.

Kein Mensch hätte vermutlich ein böses Wort über diese Sache verloren, wären die Finanzinvestments der Kirche profitabel gewesen. Möglicherweise hätte man den hohen slowenischen Würdenträgern innerkirchlich sogar väterlich-wohlwollend auf die Schulter geklopft und sich ausgerechnet, wie viel Gutes man in der Diözese mit diesem Geld bewirken könne. Dann hätte vermutlich auch niemand etwas daran gefunden, dass man dem lieben Gott und dem schnöden Mammon (den auch die Kirche benötigt) zugleich gedient hat. Aber jetzt, da Verluste entstanden sind, ist natürlich nicht mehr von „guten“ und erfolgreichen Investments, sondern von „bösen“ spekulativen Finanzgeschäften und maßloser Renditegier die Rede. Als ob auch der liebe Gott – so wie wir Menschen – mit Verlusten anders als mit Gewinnen umgehen würde.  

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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