Politik Wirtschaft

Frischer Wind in Jackson Hole

am
27. August 2010

Heute früh habe ich mich richtig gefreut, als mich mein Mitstreiter Todo auf einen Artikel aufmerksam machte1, in dem zu lesen war, wie die Erkenntnisse der Behavioral Economics offenbar sogar das für die Finanzmärkte so wichtige Treffen der US-Notenbank in Jackson Hole erreicht haben. Denn Thomas Hoenig, Chef der Kansas City Fed2, hatte eine blendende Idee, als er die Liste der dorthin geladenen Gäste drastisch zusammenstrich.

Thomas Hoenig, bislang vor allem dadurch aufgefallen, dass er als einziges stimmberechtigtes Mitglied des Offenmarktausschusses der US-Notenbank gegen den derzeitigen Kurs der Fed votierte, machte sich nämlich Sorgen. Um beim Symposium in Jackson Hole so genannte Groupthink-Effekte zu vermeiden, verzichtete er nicht nur auf einige Mitglieder regionaler Notenbanken, sondern auch auf bedeutende Analysten wie den Chefökonom von Goldman Sachs. Stattdessen lud er mehr internationale Notenbanker ein.

Auch wenn manche der Nichtberücksichtigten innerlich vor Wut schäumen mögen, hat sich Hoenig offenbar Gedanken um die Qualität der Ergebnisse dieses weltweit beachteten Symposiums gemacht. Denn bislang waren in Jackson Hole offenbar alle Voraussetzungen dafür gegeben, dass das Groupthink-Phänomen3 so richtig aufblühen konnte. Weil sich dort alljährlich fast immer die gleichen Gesichter im 100 Personen fassenden Sitzungssaal der idyllisch gelegenen, aber weitgehend abgeschotteten Jackson Lake Lodge trafen. Menschen die sich teilweise schon lange kannten und vermutlich auch noch ganz ähnlich tickten. Experten, deren Denkweisen und Diskussionsbeiträge mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der gleichen ökonomischen Schule beruhten. Persönlichkeiten, die am Ende ganz leicht zu einer (illusionären) Einmütigkeit gelangen können. Zumal die Erwartungen an das Symposium angesichts der Finanzkrise immer höher gesteckt wurden.

Kurzum: Auch wenn Thomas Hoenig an einigen Voraussetzungen für Groupthink (Abschottung, externer Stress, Zeitdruck) nicht viel ändern konnte, hat er mit dem neuen Mix an Teilnehmern zumindest die Wahrscheinlichkeit eines guten Denk-Ergebnisses in Jackson Hole deutlich verbessert. Weil frisches Blut im Symposium die Meinungsvielfalt erhöhen kann und auch kontroverse Diskussionen wieder ermöglicht werden.

 

1 Bloomberg.com

2 Die Federal Reserve Bank von Kansas City organisiert das Treffen von Jackson Hole

3 Das Groupthink-Phänomen geht auf den Sozialpsychologen Irving L. Janis zurück, das  dieser vor mehr als 35 Jahren entwickelt hat.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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