Eine Trilogie von Neid I
Nein, es war keine Absicht, vielmehr reiner Zufall, als ich im Sportstudio wieder einmal die Gelegenheit hatte, mir während meines Trainings „n-tv Deluxe – alles, was Spaß macht“ anzusehen. Da kann ich einfach nicht abschalten, wenn es wieder einmal heißt: „Hallo, liebe Milliardäre!“ Dieses Mal ging es „nur“ um eine russische Multimillionärin, also um eine Geringverdienerin im Rahmen dieser Sendung, die sich gerade mit ihrem Privat-Jet nach Deutschland hatte einfliegen lassen. Nein, nicht was Sie schon wieder denken! Keine Taschen, Schuhe oder andere Accessoires, kein Flanieren über Berliner Prachtstraßen standen auf der Agenda dieser Dame. Sondern Gesundheitsvorsorge. Natürlich nicht auf Kassen-Rezept. Aber die paar tausend Euro für den umfangreichen Checkup nahmen sich gegenüber den Flugkosten in fünfstelliger Höhe fast schon bescheiden aus. Und nach zwei Minuten sah der Fernsehzuschauer eine Jet-Setterin, die offenbar sehr erleichtert darüber war, dass der Befund wieder einmal auf „alles in Ordnung“ lautete. Anscheinend kommen immer mehr reiche Persönlichkeiten aus dem Ausland nach Deutschland, um sich hier medizinisch behandeln zu lassen. Unter anderem auch deshalb, weil beispielsweise in Russland jedes zehnte Medikament ohnehin gefälscht sein soll, wie ich erfuhr. Ob wohl dieselbe Quote auch für die kostbaren Bordeaux-Weine gilt, die russische Superreiche in ihren Kellern lagern?
Nach dem Arzttermin ging es mit dem Chauffeur zum Shopping durch Berlin und zu einer Stippvisite beim Innenausstatter. Der letzte Schrei: ein Sofa mit Cashmere-Bezug zum bescheidenen Preis von 60.000 Euro. Kaum hatte ich diesen Betrag gehört, merkte ich, dass nicht nur mein Puls, sondern auch mein Tempo auf dem Cross-Trainer sich enorm steigerte. Denken Sie, dass ich vor Neid platzte? Mitnichten. Diese Multimillionärin spielt einfach in einer anderen Liga, muss ich unumwunden zugeben. Und das Einzige, was die russische Schwerreiche mit mir gemeinsam hat, ist, dass wir beide jetzt einmal von n-tv interviewt worden sind, ich allerdings in einem anderen Format. Ansonsten lässt mich die schöne, teure Welt dieser Dame kalt, zumal ich ohnehin weiß, dass eine Grundvoraussetzung für Neid die soziale Vergleichbarkeit mit dem zu Beneidenden ist.
Richtig interessant wurde es für mich erst, als meine mittlerweile lieb gewonnene Bekannte aus der russischen Oberschicht nachmittags zum Zahnarzt ging. Man begrüßte sich mit Küsschen rechts und Küsschen links, und dann ging es auf den Behandlungssessel zum Super-Bleaching der Zähne (weißer geht’s nicht mehr). Die Behandlung wurde allerdings vom überaus beflissenen Zahnarzt nicht mit einem „Jetzt siehst Du wieder blendend aus!“, sondern mit dem Ausruf „Ich beneide Dich um Deine weißen Zähne…“ abgeschlossen. Da musste ich innerlich den Hut ziehen. Denn das gab der Millionärin nicht nur das Gefühl des Gewinns, jetzt wieder strahlend weiße Zähne zeigen zu können, sondern auch noch das gute Gefühl, jemand anderes würde sie genau darum beneiden. Und das fühlte sich für sie sicherlich an wie ein doppelter Gewinn. Und warum das so ist, das erfahren Sie Morgen.