Eine Trilogie von Neid II
Jetzt muss ich doch noch etwas mehr über „Neid“ loswerden. Sicherlich nicht nur, weil ich die Milliardär-TV-Serie „deluxe“ bei n-tv zu oft gesehen hätte. Vor kurzem habe ich hier außerdem über einen Fonds geschrieben, für den das Thema Sünde sogar Programm ist. Aber damals ahnte ich noch nicht, wie sehr mich die Todsünden im Zusammenhang mit den Erkenntnissen der Behavioral Economics noch einmal beschäftigen sollten. Vor allem wenn es um Neid geht – eine wenig sympathische Regung und Triebfeder zu vielen üblen Taten. Schließlich handelt es sich um ein schmerzhaftes Gefühl, das ein Mensch erlebt, wenn er erfährt, dass jemand anderes einen Gegenstand, eine Eigenschaft oder einen Status besitzt, Dinge also, die er selbst für erstrebenswert hält, aber nicht besitzt. Mehr noch, wenn die neidische Person unfähig ist, das gewünschte Gut zu erlangen, hofft sie, dass die beneidete Person dieses ebenfalls verlieren wird. Und Neid wird vor allem dann bösartig, wenn man versucht, die beneidete Person einer Sache oder Eigenschaft zu berauben, ohne dass man selbst einen Vorteil davon hätte – in katholischen Kreisen zählt Neid daher zu den sieben Todsünden.
Die Standardökonomie kennt hingegen keinen Neid. Weil man davon ausgeht, dass Menschen ausschließlich von Rationalität und Eigeninteresse geleitet sind und allein ihren ökonomischen Nutzen maximieren wollen. Darum schert sich ein homo oeconomicus nicht um das Wohlbefinden anderer Agenten, weder im Positiven noch im Negativen. Insofern betrachtet die Standardökonomie nur die tatsächlichen Entscheidungen der Menschen, während sie deren Psyche, deren Motive, Bedürfnisse, Neigungen, Ängste, Wünsche etc. nicht interessieren. Für den homo oeconomicus ist es daher nicht nachvollziehbar, warum Menschen anderen Menschen Geld wegnehmen, auch wenn sie selbst keinen Nutzen davon haben.
Die Realität zeigt jedoch genau das Gegenteil: Viele Menschen verzichten auf Gewinne, um anderen zu schaden – sogar wenn sie dafür eigenes Geld aufwenden müssten[i]. Was die Theorie der klassischen Ökonomie vollkommen ignoriert, ist der Umstand, dass sich Menschen permanent mit anderen vergleichen und sich dabei weniger um ihr eigenes Endvermögen scheren, als man annehmen möchte. Natürlich ist es wichtig, eine Million Euro zu besitzen, aber noch wichtiger ist es, dass der Nachbar nicht auch eine Million Euro besitzt. Tatsächlich kaufen sich Menschen, wenn sie die Wahl zwischen zwei gleich teuren Immobilienobjekten haben, nicht zwingend das mit dem größeren Grundstück. Entscheidend bei der Wahl ist vielmehr der soziale Vergleich: So kann es passieren, dass sich jemand gegen ein größeres Grundstück entscheidet, weil die Nachbarn ringsum allesamt noch größere Grundstücke besitzen. Die Wahl für ein kleineres Grundstück mag zwar auf den ersten Blick nicht angenehm und ökonomisch auch nicht sinnvoll sein. Dieser Nachteil wird aber in den meisten Fällen dadurch geheilt, dass die anderen Grundstücke in der Straße allesamt kleiner sind[ii].
Insofern ist sozialer Vergleich eine wichtige Voraussetzung für Neid. Ich kann nur Menschen beneiden, mit denen ich mich auch vergleichen kann. Je näher sich Menschen stehen, desto größer wird die Gefahr von Neid. Interessanterweise können so Nachbarn, Bekannte, Freunde und Verwandte, ja sogar Brüder und Schwestern zu natürlichen Feinden werden. Die Folgen dessen werden Sie im letzten Teil der Trilogie kennenlernen.
[i] Zizzo, D. J. & Oswald, A. (2001): Are People Willing to Pay to Reduce Others’ Incomes? Annales d’Economie et de Statistique, No. 63-34, S. 39-65
[ii] vgl. auch Frank, Robert H.(2007): Falling Behind: How Rising Inequality Harms the Middle Class, (Aaron Wildavsky Forum for Public Policy) University of California Press