Dollar am Sonntag

Ein déjà-vu Erlebnis

am
6. Juni 2021

Unter normalen Umständen würde man einen Zuwachs von 559 Tsd. Stellen innerhalb eines Monats (Nonfarm Payrolls, Landwirtschaft nicht miteingerechnet) als einen außergewöhnlich guten Wert bezeichnen. Aber bevor dieser erfreuliche Stellenzuwachs im Rahmen des Mai-Arbeitsmarktberichts am Freitag veröffentlicht wurde, lagen die Erwartungen bereits ganz woanders (vgl. meinen Kommentar HIER), so dass die 559 Tsd. neu geschaffenen Stellen in einem anderen, weniger hellen Licht erschienen.

 

Wichtige Referenzpunkte

Der eine Bezugspunkt resultierte von den Arbeitsmarkdaten, die die private Arbeitsmarktagentur ADP am Donnerstag zuvor publiziert hatte: ADP ging von einem Plus in Höhe von 978 Tsd. aus, also von rund 1 Million neu geschaffener Stellen. Ein Anker, der nicht nur für Händler leicht zu merken war. Dann gab es für die Nonfarm-Payrolls-Zahlen vom Freitag noch eine zweite Prognose in Gestalt der Median-Erwartung der Ökonomen, die leicht oberhalb von 600 Tsd. neu geschaffenen Stellen lag. So gesehen bedeutete dann die tatsächliche Zahl von 559 Tsd. in der Wahrnehmung der meisten Akteure eben doch eine leichte Enttäuschung.

Zumindest reagierten die Finanzmärkte – trotz der überraschend deutlich gestiegenen durchschnittlichen Stundenlöhne (2 Prozent gegenüber Vorjahr) –, wie man es bereits vom Arbeitsmarktbericht des Monats April gewohnt war: Die Rendite der US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Fälligkeit fiel per Saldo am letzten Tag der Woche um 7 Basispunkte. Denn eines schien klar: Die Mitglieder des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC) würden keinen Grund haben, ihre geldpolitische Linie und mögliche Diskussionen darüber vorzuziehen. Ein déjà-vu-Erlebnis sozusagen.

 

Bewusst geduldig bleiben

Und wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, kann man die Chefin der regionalen Fed von Cleveland, Loretta Mester zitieren, die in einem Interview sagte, der Arbeitsmarktbericht sei zwar sehr gut gewesen, aber sie wolle noch weitere Fortschritte sehen. Um es deutlich zu machen: „We want to be deliberately patient“ – wir [Anmerkung: Das FOMC] wollen bewusst geduldig sein, so die Haltung Mesters. Zur Erinnerung: Mester ist derzeit im FOMC nicht stimmberechtigt und wird tendenziell eher zu den Falken im Komitee gerechnet. Allerdings: Weitere Stimmen aus dem FOMC werden nun aufgrund der Schweigeperiode im Vorfeld der Notenbanksitzung vom 15./16. Juni nicht mehr zu hören sein.

 

In die Flasche zurück

Unterdessen mögen sich zumindest die bullishen Akteure an den Aktienmärkten einmal mehr bestätigt gefühlt haben. Nicht wenige dürften sich abermals eine Art Goldilocks Szenario zusammengezimmert haben: Ein Arbeitsmarktbericht, der immer noch gut genug, aber nicht so positiv ausfiel, um eine Überhitzung der US-Ökonomie befürchten zu müssen. Für die US-Notenbank also kein Grund, über eine Änderung ihrer abwartenden Strategie nachzudenken. Kurzum: Das Tapering-Gespenst wurde wieder in die Flasche zurückgedrängt, aus der es am Donnerstag noch zu entfliehen versuchte.

Der relativ enttäuschende Arbeitsmarktbericht vom Mai und auch die kaum revidierten und ebenfalls als enttäuschend wahrgenommenen Nonfarm Payrolls-Zahlen vom April sowie die daraus resultierenden fallenden US-Anleiherenditen haben konsequenterweise auch wieder den Greenback unter Druck gesetzt. Im Gegenzug konnte der Euro einen Teil der am Vortag erlittenen Verluste wettmachen, bleibt allerdings in einem fragilen Umfeld, solange im Rahmen des übergeordneten kurzfristigen Aufwärtstrends 1,2205 nicht überwunden werden kann.

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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