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17. August 2011

Wer (wie ich vor wenigen Wochen) mit Kindern in Italien Sommerurlaub macht, wird natürlich auch Eis essen gehen. Hierzulande ist das ein relativ einfaches Rechenexempel: Eine Kugel kostet 90 Cent oder einen Euro, mehrere Kugeln ein Mehrfaches davon. In Venedig sieht die Preisgestaltung indes ganz anders aus. Die haben sich wirklich etwas einfallen lassen, stellte ich schon bei meinem ersten Spaziergang auf dem Lido fest. Da blieb ich also mit meinen drei Kindern im Gefolge an einem Eisstand stehen, bei dem die erste Kugel 1,30, zwei Kugeln 2,00, drei 2,80 und vier Bällchen für 3,50 Euro angeboten wurden. In Anbetracht des Umstands, dass der Urlaub gerade erst begonnen und dies sicher nicht das letzte Eis, das wir verspeisen würden, bleiben sollte, hätte ich normalerweise für jeden von uns eine Kugel in der Waffel geordert. Doch mein Sohn rechnete blitzschnell nach und kam auf den stattlichen Betrag von 5,20 Euro für vier Personen. Sofort war mir klar, dass ich mich wieder einmal in einer Falle befand.

Die Preisstrategie der venezianischen Eisdiele erinnerte mich an meine Zeit als Devisenhändler, als ich immer wieder beobachten konnte, wie Kollegen bereit waren, zu einer Verlustposition weitere Engagements zu günstigeren Preisen hinzu zu mischen. Eine Strategie, die man landläufig auch als „verbilligen “ bezeichnet und von der ich nichts halte, vor allem nicht, wenn man dann bei Erreichen des durchschnittlichen Einstandspreises die komplette Position glatt stellt, um ohne Verlust wieder aus der Geschichte herauszukommen. Deshalb wollte ich auch auf dem Lido meinen Prinzipien treu bleiben. Aber vier einzelne Eisportionen hörte sich für mich wie vier Verluste à 1,30 €, also richtig brutal an. Und so überwand ich meine üblichen Bedenken und entschied mich für eine Strategie, die mir eigentlich durch die Preisgestaltung der Eisdiele suggeriert worden war: Ich entschied mich, vier Kugeln in einem Becher für uns alle zusammen zu bestellen, womit ich mir den Effekt des Verbilligens auf meine Weise zunutze machte: Statt der 5,20 musste ich nur noch 3,50 Euro bezahlen. Das war günstiger als die 3,60 Euro, die ich in Frankfurt mindestens für vier Kugeln hätte bezahlen müssen.  Allerdings hatte dieser Trade einen gravierenden Nachteil, den wir wenige Schritte nach Verlassen der Eisdiele unmittelbar zu spüren bekamen: Wir vier hatten zwar dem Eisverkäufer ein Schnippchen geschlagen, besaßen aber nur einen Löffel, um das Eis gemeinsam zu verzehren.

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3 Kommentare
  1. Antworten

    Bernd Veith

    17. August 2011

    Lieber Herr Goldberg,
    Sie waren in Italien!
    Dort übt man sich bereits in Preisgestaltung.
    Schade, dass Frau Merkel nicht dabei war, die hätte dann einen Crashkurs in Ökonomie bekommen und der hätten Sie den Löffel reichen können, damit sie versteht, wie das so ist, wenn man die Suppe, äh, Verzeihung, das Eis alleine auslöffelt.
    Einen schönen Tag!
    Bernd Veith

  2. Antworten

    Sven Hartwig

    17. August 2011

    Frau Merkel kauft nicht, die verkauft – die Reste von“deutsch“ und das Volk für dumm. Gelerrnt ist gelernt. 🙂

  3. Antworten

    sunny

    17. August 2011

    Mission: 4 Kugeln Eis, 4 Leckermäulchen und nur ein Löffelchen – schwierig.

    Man sollte, wenn möglich, das Vorhaben schon bis zum Schluss durchdenken. Aber, ich vermute, die Aussicht auf den verlockenden Gewinn von 1,70 Euro ( entspricht etwa 1,3 Kugeln Eis) hat das wohl nicht mehr ganz zugelassen 🙂

    Wir wollen halt alle nur ein lohnendes Geschäft machen: rechnen und grübeln hin und her, wie man für das gleiche Geld mehr Ware bekommt bzw. wie man seine Ware für weniger Geld erhalten kann. Und unterm Strich?

    Ich hätte in diesem Fall nicht lange rumgemacht und jedem sein Eis in einer Waffeltüte gekauft. Ist erstens viel praktischer und was soll der Geiz – es ist schließlich Urlaubszeit – und alleine die Kosten der entgangen Lebensfreude in Bella Italia – die durch das ganze rumgerechne und das komplizierte Eisessen entstehen. Es sei denn, man steht auf so was.

    Dann esse ich halt nicht jeden Tag ein Eis, aber wenn, und schon in Italien, dann auch richtig – z.B. einen schönen Eisbecher mit Sahne und Schokoladensoße, in einem Cafe während man beim gemütlichen Schlemmen vorüberziehende Passanten beobachtet.

    Und last but not least freut sich Italien über jeden zusätzlichen Euro, der die Wirtschaft ankurbelt – und dass kommt uns letztendlich Allen zu gute. Man kann sich nämlich auch zu tote sparen 😉

    Auf der anderen Seite ist das gemeinsame Eisessen von vier Leuten aus einem Becherchen sicherlich eine kleine Herausforderung und wohl auch ganz lustig. Und sage und schreibe, für eine kleine Urlaubsstory reicht es am Ende auch noch 🙂

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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