Auferstehung des Euro
EUR USD (1,1250) Lag es an der abwartenden Haltung vieler Devisenhändler, dass sich der Euro bis zum gestrigen Abend noch wie gewohnt schleppend gegenüber dem Dollar bewegte? Immerhin gab es dann noch am Ende im New Yorker Handel den höchsten Tagesgewinn seit dem 25. Januar für den Euro zu verzeichnen. Der Kursanstieg zeigt: Offenbar hatten viele Akteure nicht mit einer derartigen Bewegung gerechnet, obwohl man angesichts der Entwicklungen am US-Anleihemarkt durchaus Volatilität im Devisenmarkt hätte erwarten können.
Denn die Erwartungen der Akteure an mögliche Zinssenkungen der US-Notenbank scheinen sich nun von Tag zu Tag ein wenig mehr zu erhöhen. Dies vermitteln die Futures-Märkte bzw. das CME FedWatch Tool, das mittlerweile sogar für vier Zinssenkungen in diesem Jahr (à 25 Basispunkten) eine implizite Wahrscheinlichkeit von mehr als 12 Prozent ausweist. Rechnerisch am wahrscheinlichsten sind allerdings zwei Zinssenkungen in diesem Jahr. Mit anderen Worten: Nicht nur US-Präsident Donald Trump übt Druck auf die Fed aus, sondern die Finanzmärkte ebenfalls. Auch deswegen präsentierte sich der Dollar gestern in schwacher Verfassung.
Umso wichtiger ist Konferenz, zu der die Fed in Chicago für heute und morgen eingeladen hat. Dabei soll nicht nur über die Geldpolitik, sondern auch über die Art und Weise, wie diese kommuniziert wird, gesprochen werden. Und natürlich dreht sich vieles um die beiden Ziele der Notenbank, für Wachstum und eine angemessene Inflation zu sorgen. Gerade diese blieb – gemessen am bevorzugten Maß der Notenbanker, dem Index der privaten Konsumausgaben (PCE) in der Kernrate – mit 1,6 Prozent im April hinter dem Ziel von 2 Prozent zurück.
Neuer Ansatz?
Und weil die US-Inflation permanent hinter den Prognosen zurückbleibt, ist es auch kein Wunder, dass die Inflationsstrategie der Fed möglicherweise neu formuliert werden könnte. Und zwar dergestalt, dass statt einer einfachen Inflationsobergrenze bei 2 Prozent in Zukunft eine durchschnittliche Inflation (über mehrere Monate) in gleicher Höhe angestrebt würde. Das allerdings hätte zur Folge, dass in Phasen steigender Inflation das ursprüngliche Inflationsziel von 2 Prozent überschritten werden müsste, um den naturgemäß hinterherhinkenden Durchschnittswert ebenfalls auf das gleiche Niveau zu hieven. Diese Neuinterpretation des Inflationsziels könnte letztlich als Signal für eine lockerere Geldpolitik stehen, weshalb jedweder Hinweis in diese Richtung von den Finanzmarktteilnehmern umgehend quittiert werden dürfte. Genauso wie etwaige Kommentare einzelner Mitglieder des Offenmarktausschusses inklusive von Fed-Chef Jerome Powell, dessen Rede heute ebenfalls mit Spannung erwartet wird.
Langfristige Kapitalströme zeigen Wirkung
Immerhin gelang es dem Euro am gestrigen Handelstag, sich in der oberen Hälfte seiner Konsolidierung zwischen 1,1110 und 1,1320/25 festzusetzen. Und die Chancen, die Obergrenze des Feldes zu durchbrechen, stehen nicht schlecht, wobei der Euro oberhalb von 1,1165 sogar gut gehalten bleibt. Es scheint sich – neben allen US-Zinssenkungs-Fantasien – auch unsere Vermutung zu bestätigen, dass langfristige Kapitalverschiebungen (vgl. HIER) aus dem Dollar- in den Euroraum in der letzten Maiwoche ein stärkeres Abgleiten der Gemeinschaftswährung ein weiteres Mal verhindert haben. Denn die jüngsten Entwicklungen im Handelskonflikt zwischen den USA und China und jüngst auch Mexiko haben das Vertrauen der Akteure in den Dollar nicht gerade erhöht.
Hinweis
Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.