Zinssenkung! Jetzt!
Die meisten Akteure an den Finanzmärkten versprechen sich von der heutigen Sitzung der EZB nicht allzu viel Neues. Und schon gar nicht eine Zinssenkung. Wenn man sich jedoch gerade die Begründungen für die jüngsten Abwärtskorrekturen der europäischen Aktienmärkte ansieht, sollte Mario Draghi vielleicht doch ins Grübeln kommen. Natürlich sind die Argumente, Italien und Spanien sein für den heftigen Kursrückgang verantwortlich fadenscheinig – über die mögliche Schwarzgeldaffäre des spanischen Premier Rajoy sowie die leicht verbesserten Umfragewerte für den ehemaligen italienischen Premier Berlusconi als scheinbare Bedrohung für die Stabilität der Eurozone habe ich bereits an dieser Stelle geschrieben. Und dass der englische Aktienindex FTSE100 unter Druck geraten sein soll, weil sich Frankreich und Deutschland angeblich nicht über ein gemeinsames Niveau für den Euro einigen konnten, ist wohl eher der Tatsache geschuldet, dass ich wieder einmal auf kostenlose Information im Internet vertraut habe, statt endlich Geld für ordentlich recherchierte Nachrichten auszugeben.
Unter dem Strich bleibt damit das komische Gefühl, dass die einstige Ankündigung Mario Draghis, den Euro um jeden Preis zu unterstützen, bei den Akteuren an den Finanzmärkten so langsam ihre Wirkung zu verlieren scheint. Nicht umsonst wird wieder über den Euro-Untergang sinniert, begleitet von den Schwarzmalereien der üblichen Verdächtigen à la Nouriel Roubini. Wäre für den EZB-Präsidenten jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt gekommen, ein Zeichen zu setzen und so seinen Worten des vergangenen Jahres, auf denen die ganze Erholung der Euro-Krise fußt, etwas Nachdruck zu verleihen? Eigentlich fand ich ja vor allem während der Krise, eine Senkung des Schlüsselzinses um ein Viertelprozent würde den Marktteilnehmern kaum etwas bringen. Wenn jedoch Draghi einen derartigen Schritt heute verkünden würde, würde dies für das Gros der Akteure eine Überraschung darstellen, ganz zu schweigen vom psychologischen Effekt einer derartigen Maßnahme, der dem einstigen Versprechen des EZB-Präsidenten Nachdruck verleihen würde. Mit anderen Worten: Für eine Zinssenkung jetzt und heute bekäme Mario Draghi vermutlich den größtmöglichen Gegenwert . Dass damit dem designierten Chef der Bank von England, Mark Carney sowie dem italienischen Premier Mario Monti zur Stärkung ihrer jeweiligen Position geholfen wäre, sei hier nur am Rande erwähnt. Wohl wissend, dass alle drei Persönlichkeiten einst für Goldman Sachs gearbeitet haben, möchte ich damit keinesfalls Verschwörungstheoretikern Wasser auf die Mühlen schütten.
Viel lieber halte ich mich an klare Tatsachen, wie die jüngste Erhebung der Börse Frankfurt zum Sentiment der mittelfristig orientierten Akteure. Die Kommentierung der Zahlen hat Gianni Hirschmüller an dieser Stelle vorgenommen, während ich mich um die Detailanalyse gekümmert habe.