Märkte Wirtschaft

Wenn Märkte überreagieren

am
4. Juli 2013

Der heutige Alphaville-Blog in der Financial Times[1] bestätigt sehr schön unsere Vermutung, dass es während der vergangenen Wochen zu teils starken Kapitalabflüssen in fast allen Anlageklassen gekommen sein muss, allen voran die Anleihen mit mittel- bis langfristigen Fälligkeiten, gefolgt von Commodities. Und Aktien konnten nach den massiven Zuflüssen in den ersten Monaten dieses Jahres zuletzt kaum mehr Kapital anziehen. Der Beitrag stützt sich auf die ETF-Flows und die ETP-Trends von Blackrock bzw. der Credit Suisse des Monats Juni. Anhand dieser Daten wird auch deutlich, wohin dieses Geld geflossen sein muss: vornehmlich in kurzfristige Fälligkeiten sowie eine gestiegene Kassehaltung. Legt man diese Daten zugrunde, wundert es auch nicht, dass die USA und Kanada von Kapitalzuflüssen profitierten.

Es würde mich erstaunen, wenn diese Verwerfungen alleine auf Ben Bernankes Statement zum so genannten Tapering zurückzuführen gewesen sein sollen. Falls dies tatsächlich der Fall ist, kann man der US-Notenbank nur eines empfehlen: Beendet die Anleihekaufprogramme und zwar nicht peu à peu, sondern auf einen Schlag. Möglicherweise würde eine derartige Aktion, die die Finanzmärkte ohnehin schon vorweggenommen zu haben scheinen, weniger Schaden anrichten, als ein Rätselraten vor jedem Treffen des Offenmarktausschusses der Fed (FOMC), um wie viele Milliarden US-Dollar die Anleihekaufprogramme jeweils zurückgeführt würden. Ohnehin würden sich die Akteure an einen Einmal-Schritt viel schneller gewöhnen.

Ob nun, wie in der vergangenen Woche häufiger geschehen, die Mitglieder des FOMC versuchen, die Märkte verbal vor Überreaktionen zu warnen – ich glaube, dass die Notenbank, solange sich das ökonomische Umfeld nicht verschlechtert, bei der Sitzung im September handeln und den ersten Schritt zur Drosselung des QE-Programms vornehmen wird. Möglicherweise sogar ohne dramatische Auswirkungen auf die US-Renditen. Zumindest ist eine klare Richtung besser zu verarbeiten als ein permanentes Hin und Her mit jeweiligem Interpretationsbedarf der Investoren.

Was die Anleger am deutschen Aktienmarkt zuletzt bewegt hat, dürfte jedoch weniger mit der US-Notenbankpolitik oder dem jüngst wieder aufgeflammten Getöse um die Problemländer in der Eurozone zu tun gehabt haben. Zumindest vermittelt dies die jüngste Sentiment-Analyse der Börse Frankfurt, die ich hier kommentiert habe. Mein Mitstreiter Gianni Hirschmüller hat sich unterdessen um die Analysedetails (hier) gekümmert.



[1] When Etps Destock en Masse, http://www.ftalphaville.ft.com vom 3.7.2013

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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