Politik Wirtschaft

Weidmanns Nein

am
25. Juni 2012

„Nein“ scheint nach wie vor das Lieblingswort deutscher Politiker und Notenbanker zu sein. Angela Merkel sagt Nein zu Eurobonds, Nein zu einem Schuldentilgungsfonds, Nein zu einer europäischen Bankenunion. Auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann sagt oft und gerne Nein. Vor ein paar Monaten war es noch das Nein zu Anleihekäufen der EZB, zur Beteiligung des privaten Sektors an der Schuldenkrise und zur Nutzung von Bundesbankgold als Sicherheit für IWF-Kredite. Weil eine Änderung der rechtlichen Grundlagen für die Währungsunion das Vertrauen in die EZB untergräbt. Und wohl auch deswegen dürfte Weidmann vor kurzem ebenfalls Nein zur Einführung von kurzfristigen Euro-Bills gesagt haben. Aber während das Nein des Bundesbankpräsidenten wie immer knapp ausfiel und keinen Raum ließ für Überlegungen zu einer möglichen Alternative, könnte man der Bundeskanzlerin immerhin zugutehalten, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen einige Handlungsoptionen zumindest in Erwägung ziehen würde. Ja, wenn die europäische Fiskalunion steht, dann kann es auch Eurobonds geben, so ihre Haltung.

 

Transferzahlungen gibt es schon längst

Im Grunde handelt es sich bei all diesen Lösungsvorschlägen zur Krise um Transferzahlungen von reicheren an ärmere Mitglieder der Europäischen Union. Diese Zahlungen hat es in der EU immer schon gegeben, nur waren sie bislang nicht so offensichtlich. Man denke nur an die Agrarmarkt-Subventionen. Doch mittlerweile sind die Beträge, die dabei direkt oder indirekt von den Stärkeren an die Schwächeren fließen, so groß geworden, dass ihre Zahlung an die Bedingung geknüpft wird, dass sich die Schuldner zu einem strengen Sparprogramm verpflichten. Und diese Programme greifen mittlerweile so massiv in die jeweiligen Staatshaushalte ein, dass man sie aus ethischer Perspektive  durchaus in Zweifel ziehen kann. Natürlich muss ein Schuldner sein Darlehen zurückzahlen, aber er muss immer noch in der Lage sein, seine wirtschaftliche Existenz zu sichern. Schon in der Bibel steht (fünftes Buch Moses; 24,6): „Man soll nicht pfänden Mühle oder Mahlstein, denn das Leben ist es, was damit gepfändet wird.“  

Daher wird mancherorts der Ruf nach einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone immer lauter. Unter dem fadenscheinigen Vorwand, dass das Land mit Hilfe einer Abwertung seiner neu zu schaffenden Währung wieder konkurrenzfähig würde. Vielleicht würden sogar andere Staaten folgen müssen, wenn erst einmal ein solches Exempel statuiert worden ist. Weil sie sich anders aus dem Teufelskreis steigender Zinsen, gefolgt von einem höheren Kapitalbedarf zur Schuldentilgung, weiteren Sparmaßnahmen, wirtschaftlicher Schrumpfung und dem Verlust der Leistungsfähigkeit nicht mehr befreien können.

 

Deutsches „Nein“ zur Eurozone?

Warum um alles in der Welt sollen nicht vielmehr diejenigen die Gemeinschaft verlassen, die immer nur Nein sagen? Die Blockierer. Warum nicht ein Nein zur Eurozone? Ich könnte mir vorstellen, dass sich hierzulande nicht wenige fänden, die einem Austritt Deutschlands aus der Eurozone durchaus etwas abgewinnen könnten. Im Gegenteil: „Zurück zur D-Mark!“ wünscht sich mehr als ein Drittel aller Deutschen[1]. „Wir wurden ja sowieso nie gefragt, ob wir den Euro wollen“, klingt es in meinen Ohren noch von TV-Talkshows der vergangenen Wochen nach. Würden Deutschland, Finnland & Co. aussteigen, könnten die verbleibenden Eurostaaten endlich das Mandat der EZB ändern und auf diesem Wege der Zentralbank ermöglichen, Anleihen der Mitgliedsstaaten in unbegrenztem Maße am Markt aufzukaufen. Und sie könnten endlich Eurobonds ausgeben, auch wenn deren Rendite vermutlich bei 7 Prozent und mehr lägen und deren Rating natürlich ebenfalls massiv leiden würde. Aber das ginge uns dann ja nichts mehr an.

 

Stabile D-Mark

Und die D-Mark? Die wäre richtig stabil und robust, so wie man es früher, vor der Währungsunion, gewohnt war. Aber auch richtig teuer. So teuer, dass das Exportvolumen in die Eurozone bei einer Aufwertung der alten, neuen deutschen Währung dramatisch schrumpfen würde. Ich kann die Schlagzeilen schon erahnen: „Deutsche Exporte gegenüber Vorjahr um mehr als 25 Prozent gefallen!“, „Binnennachfrage kann Exportloch nicht ausgleichen“  – wenn wir dieses Gedankenspiel fortsetzen, würden wir am Ende eine Summe zusammenbekommen, deren Höhe sich die meisten heute nicht einmal vorstellen können.

Liebe Frau Merkel, lieber Herr Weidmann, wollen wir da immer noch Nein sagen?

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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