Märkte Wirtschaft

Währungskrieg? Crash? – Kein Ende der Manipulationen in Sicht

am
23. Mai 2013

Eigentlich dachte ich, als Jon Hilsenrath am Samstag vor zwei Wochen im Wall Street Journal über einen Ausstiegsplan der US-Notenbank vom geldpolitischen Lockerungsprogramm sinnierte, es sei ein Umdenken entstanden. Und auch nach der gestrigen Anhörung Ben Bernankes vor dem US-Kongress in Washington könnte man zu dem Schluss kommen, der Fed-Chef werde bereits in einer der kommenden Sitzungen der Notenbank den Umfang weiterer quantitativer Lockerungen reduzieren. Allerdings nicht vorschnell, wie Bernanke deutlich machte. Und nur, wenn es die ökonomischen Rahmendaten erlauben. Aber jedes Wenn bedeutet eine Verringerung der Wahrscheinlichkeit, dass eine an Bedingungen geknüpfte Maßnahme auch tatsächlich vorgenommen wird. Wenn man sich überdies das zuvor entstandene Interview von Fed-Mitglied William Dudley bei Bloomberg zu Gemüte führt, dürften die Entscheider im Offenmarktausschuss (FOMC) sowieso erst in drei bis vier Monaten beurteilen können, ob die Konjunktur stark genug sein wird, etwa die Ausgabenkürzungen im US-Haushalt zu verkraften.

Aber machen wir uns nichts vor. Selbst wenn die US-Notenbank sich zu einem derartigen Schritt durchringen sollte, bedeutet das noch lange nicht, dass sie das Volumen des bereits gedruckten Geldes in irgendeiner Weise reduzieren wird. Es wird nur nicht mehr werden.

Eine Erkenntnis bleibt jedenfalls: Solange die Notenbanken der USA, Japans und letztlich auch die EZB – wenn auch bislang nur in Form einer Absichtserklärung, den Euro im Notfall auf alle erdenkliche Weise unterstützen zu wollen – in den Märkten intervenieren, sind Letztere extrem schwierig einzuschätzen. Weil sie anderen Gesetzmäßigkeiten als denen der freien Entfaltung von Angebot und Nachfrage folgen. Das Resultat: Man hat wegen der fehlgeleiteten Geldströme (vgl. auch mein Blogbeitrag hier) vielerorts Angst vor Blasenbildungen und den möglicherweise nachfolgenden Crashes.

Aber auch die Schweizer Notenbank (SNB) macht wieder von sich Reden. So musste ich gestern etwa lesen, ihr Präsident, Thomas Jordan, wolle nicht ausschließen, dass die derzeit geltende Euro-Franken-Grenze von 1,20 CHF pro Euro geändert werden könnte. Allerdings kann ich mir nur eine Anhebung derselben vorstellen, was jedoch einem so genannten Free Lunch (vgl. auch ein früherer Beitrag hier) gleichkäme. Denn diejenigen Marktteilnehmer, die einst im Vertrauen auf die SNB Schweizer Franken gegen Euro verkauft hatten, bekämen so automatisch einen garantierten Gewinn, den die Notenbank oder andere bezahlen müssten. Auch das wäre eine Form der Marktmanipulation, möglicherweise sogar eine kostspielige. Aber die eigene Währung herunterzureden und zu handeln gehört ja offenbar zum guten Ton an den Devisenmärkten – ein Verhalten das andere bereits weniger nett mit dem Begriff Währungskrieg umschrieben haben.

 

Wenn der Wolf erst später kommt

Die größte Gefahr sehe ich aber darin, wenn sich Horrorszenarien, vor denen monatelang gewarnt wurde, nicht einstellen und die Warner immer ruhiger werden oder gar „Foul“ bzw. „Manipulation“ schreien müssen, um überhaupt noch Gehör zu finden. Das Ganze erinnert mich stark an die Aesop‘sche Fabel, wo ein Junge immer wieder vor dem Wolf warnte, bis ihm eines Tages niemand mehr glauben wollte. Natürlich hat der Junge im Gegensatz zu den vielen Horror-Szenario-Analysten und Experten, die ja immerhin (hoffentlich) in gutem Glauben handeln, absichtsvoll gelogen. Aber der Effekt ist derselbe: Wenn der Wolf (wie heute früh im japanischen Aktienmarkt) dann wirklich kommt, ist es zu spät.

Wen der Wolf beim DAX möglicherweise fressen wird, erfahren Sie in der neuesten Sentiment-Analyse, die Gianni Hirschmüller für die Börse Frankfurt (hier) erstellt hat. Um die Detailanalyse habe ich mich (hier) gekümmert. 

SCHLAGWÖRTER
ÄHNLICHE BEITRÄGE

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

Archiv