Behavioral Living Verschiedenes

Von Punkten und Pünktlichkeit

am
10. November 2010

Irgendwann geht jeder Urlaub einmal zu Ende. Schweren Herzens packten wir die Koffer, die deutlich schwerer waren als bei der Hinreise. Denn es war ja nicht bei dem einen Besuch auf dem Basar geblieben. Vier Stunden sollte der Rückflug dauern.  Doch kaum saß ich auf meinem engen, unbequemen Sitz in der Bretterklasse, ordnungsgemäß angeschnallt, die Lehne senkrecht gestellt und das Tischchen  hochgeklappt, da meldete sich der Kapitän mit einer wichtigen Durchsage zu Wort. Sie kennen das bestimmt auch: „Uns wurde gerade ein   Slot zugewiesen. Deswegen wird sich der Abflug um 45 Minuten verzögern.“ Ein unwilliges, hundertfaches Aufseufzen ging durch die Sitzreihen. Die meisten Passagiere reagierten ziemlich genervt, da sie bereits beim Check-in viel Geduld hatten aufbringen müssen. Umso freudiger fiel die Reaktion aus, als sich der Kapitän bereits nach 10 Minuten wieder vernehmen ließ, dieses Mal, um gutgelaunt zu verkünden, man werde bereits in sieben Minuten starten können. Das sei doch immerhin besser als der ursprünglich befürchtete „worst case“, versuchte sich der Flugzeugführer im positiven Denken. Ja, man scheint bei der Lufthansa tatsächlich etwas gelernt zu haben. Lieber eine deftige Verspätung ankündigen, die hinterher wieder korrigiert werden kann, als den Abflugtermin unter dem Gemurre der Passagiere immer weiter, im Fünf-Minuten-Takt, nach hinten zu verschieben.

Eine halbe Stunde vor der Landung in Frankfurt gab es allerdings eine kalte Dusche. Da stand doch auf dem Monitor an der Kabinendecke – von vielen unbemerkt – plötzlich nicht mehr eine verbleibende Flugzeit von 30, sondern von 55 Minuten geschrieben. Ganz klamm und heimlich. Auch der Kapitän schwieg sich vornehm aus. Erst nach einer weiteren halben Stunde wurden wir aufgeklärt: Leider, leider müssten wir noch ein paar Extrarunden über Frankfurt drehen. Aber niemand beschwerte sich, und am Ende waren alle froh, heil gelandet zu sein. Mit 42 Minuten Verspätung, die aber bei der Gepäckausgabe glücklicherweise zum Teil wieder wettgemacht wurden.

Manchmal habe ich das Gefühl, Glück und Zufriedenheit, Enttäuschung und Frust, ja, ganze das Leben besteht nur aus einer Abfolge von richtig und falsch gesetzten Referenzpunkten.

SCHLAGWÖRTER
ÄHNLICHE BEITRÄGE
1 Kommentar
  1. Antworten

    Business traveler

    6. November 2013

    Lieber Herr Gold-Berg, Sie sollten das alles bißchen locker sehen und die Zeit in den Wolken als Entspannung vom digital-Terror betrachten, und ggf ihre Ansichten re-priorisieren. Das ist im übrigen der Grund, dass ihr Kapitän sie 30 min vor der Landung nicht informiert hat. Da hat der echt was wichtigeres zu tun als nur an Sie zu denken, ansonsten hätten Sie sich hier evtl über eine Beinahekollision auslassen müssen und mangelnde Ausbildung beim Flugpersonal und und..

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

Archiv