Märkte Wirtschaft

Verhängnisvolle Interventionen und was Sie im zweiten Quartal 2013 nicht verpasst haben sollten

am
1. Juli 2013

Da hat Ben Bernanke etwas angerichtet! Der Chef der US-Notenbank hatte vor eineinhalb Wochen nach der Sitzung des Offenmarktausschusses der Fed (FOMC) seinen Fahrplan zum so genannten Tapering, dem Zurückfahren der Anleihekäufe, zumindest ein wenig konkretisiert. Allerdings ohne die Vorbedingungen für einen derartigen Prozess auch nur ein bisschen geändert zu haben! Die Antwort der Finanzmärkte fiel bekanntermaßen heftig aus, so dass wohl wieder einmal der von vielen als Sprachrohr der Notenbank betrachtete Journalist Jon Hilsenrath vom Wall Street Journal – er macht in letzter Zeit auffällig oft von sich Reden – Bernankes Andeutungen für die Anleger übersetzen musste, um größeren Schaden zu vermeiden. Gleichzeitig meldeten sich in der vergangenen Woche mehrere Mitglieder des Offenmarktausschusses zu Wort, als ob auch sie die Öffentlichkeit beschwichtigen wollten: „Unser Chef hat das mit dem Tapering doch nicht so gemeint“.

Interessanterweise befinden sich unter den FOMC-Mitgliedern, die wegen der Reaktion der US-Aktienkurse mehr oder weniger in Panik geraten sein müssen, auch stimmberechtigte Mitglieder, die früher den so genannten Zinsfalken zugerechnet wurden. Während Narayana Kotcherlakota schon seit einigen Monaten offensichtlich in das Lager der Tauben gewechselt ist, schlug nun auch James Bullard in der vergangenen Woche andere Töne an, weil sich die Inflation langsamer als gedacht entwickelt hat. Und wenn man dann bedenkt, dass Jerome Powell, der eher zu den Neutralen in Sachen Geldpolitik gerechnet wird, geäußert hatte, die Marktreaktionen der vergangenen Wochen seien stärker als erhofft ausgefallen und die Märkte hätten seit Mai überreagiert, dann wird eines deutlich: Anscheinend hat man im Offenmarktausschuss statt der Wirtschaftsdaten eher den Aktienmarkt im Blick, wenn es um die Tapering-Entscheidung geht. Dazu passt dann auch das Statement von William Dudley, Präsident der New York Fed, der erklärte, die Märkte befänden sich nicht in Übereinstimmung mit dem, was die Fed denken würde. Das klingt schon sehr nach Kontrollverlust.

 

Wer kontrolliert die Fed?

Während sich die Teilnehmer an den Aktienmärkten zumindest für ein, zwei Tage beruhigen ließen, kann man derartiges von den Goldhändlern nicht behaupten. Aber diese beiden Märkte befinden sich ja derzeit auch in gegenläufigen Trends. Während Ersterer noch seinen Aufwärtstrend korrigiert, scheint die Situation beim Gold hoffnungslos. Selbst die Hinweise, man habe seitens der Notenbank womöglich gar nicht ernsthaft daran gedacht, mit dem Tapering zu beginnen, haben, abgesehen von der kleinen Hoffnungsrallye am Freitagnachmittag, bislang im völlig überverkauften Markt (noch) nicht zu einer nachhaltigen Erholung geführt.

Was mich am meisten an der ganzen Geschichte stört, ist aber nicht die überzogene Reaktion der Finanzmärkte auf die Ankündigung eines Notenbankpräsidenten, endlich Schritt für Schritt mit einer fruchtlosen Strategie aufhören zu wollen. Vielmehr beunruhigt mich, wie sehr die Entscheidungen eines einzigen Gremiums (das von keinem anderen Organ richtig kontrolliert wird und für das sich nicht einmal der US-Geheimdienst NSA zu interessieren scheint) nicht nur die Finanzmärkte in den USA, sondern Ökonomien weltweit beeinflussen können. Denn die Kommentare der abgelaufenen Woche sind letztlich nichts anderes als Verbalinterventionen, die im Zweifel mit realen Eingriffen, vornehmlich am US-Anleihemarkt, unterlegt werden müssten. Was nichts anderes bedeutet, als dass im  Zweifel womöglich noch mehr US-Bonds als geplant gekauft würden.

Überhaupt scheint die Politik der US-Notenbank auch unsere Leser im zweiten Quartal dieses Jahres intensiv beschäftigt zu haben, gleichzeitig weckte auch das Gold-Thema weiterhin Interesse. So landete auf Platz drei unserer meistgelesenen Beiträge der Text über das Das Gold Destruction Team (GDT). Der verschobene Crash, ein Blog, der sich vornehmlich mit dem Aktienmarkt beschäftigte, landete auf Platz zwei. Die Spitzenposition nahm mit großem Abstand der Blogbeitrag Währungskrieg? Crash? – Kein Ende der Manipulationen in Sicht, ein, in dem ich mich intensiv mit der fragwürdigen Politik einiger Notenbanken beschäftigt habe.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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