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12. April 2011

„Wir lieben es, Dinge zu tun, die nicht erwartet werden. Nach Siegen kann jeder verlängern. Aber es ist doch ein gutes Zeichen für die Öffentlichkeit, dem Trainer auch nach einer Niederlage diesen Stellenwert zukommen zu lassen.“ So Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsboss von Bayern München, im Interview mit der „Bild“-Zeitung – nein, nicht in der Ausgabe vom 11. April, sondern am 28. September vergangenen Jahres. Großzügig hatte man damals dem Bayern -Trainer Louis van Gaal vorzeitig den Vertrag gleich bis 2012 verlängert. Jetzt sind die Dinge anders gekommen. Nicht dass ich je davon ausgegangen wäre, dass das Commitment von Vereinsmanagern gegenüber Fußballtrainern besonders hoch sei. Denn im Profisport gilt im Gegensatz zu anderen Lebensbereichen die Norm, schnell Erfolg haben zu müssen. Und so kann man beim Fußball anders wie in den Finanzmärkten immer wieder feststellen, dass relativ schnell die Notbremse gezogen wird. Das musste jetzt auch van Gaal erfahren, der sein Amt nun doch mit sofortiger Wirkung niederlegen musste.

Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass das Management von Bayern München so etwas wie eine Verlustaversion gehabt haben muss. Denn viele Fans hätten es durchaus verstanden, wenn der Holländer bereits am 7. März vor die Tür gesetzt worden wäre. Stattdessen zeigte man sich von Vereinsseite noch einmal großzügig und entschied sich zwar für eine Trennung von dem immer wieder für Reibereien sorgenden Trainer, aber eben per Termin, Valuta Saisonende 2011. Angeblich mangels Alternativen zum Meistertrainer des Vorjahres, hieß es zuletzt. Diese gibt es übrigens heute zumindest nach meinem Verständnis genauso wenig wie vor gut fünf Wochen. Damals hatte man sich, wie viele andere Menschen in einer Verlustsituation ebenfalls, nicht für sofortiges Handeln zur Beseitigung der Dissonanz entschieden, sondern intuitiv für selektive Wahrnehmung. Immerhin war das Erreichen des Minimalziels Champions-League-Qualifikation in Gefahr.

Doch die Trennung auf Termin hatte gravierende Folgen. Van Gaal hätte sich noch so abstrampeln können – von Stund‘ an wurde alles Positive, das von ihm ausging, wenn überhaupt, dann nur verkleinert wahrgenommen. Sonst hätte man sich ja eingestehen müssen, dass die Entscheidung für den Terminkontrakt falsch war. Mehr noch, im Gegenzug wurde alles, was gegen den Trainer sprach, aufgebauscht, so dass ein Unentschieden in Nürnberg wie ein Verlust für die Vereinsführung gewirkt haben muss. Ganz zu schweigen davon, dass Louis‘ Lieblingstorhüter einen rabenschwarzen Tag hatte. Anders ausgedrückt: Van Gaal hatte keine Chance, außer indem er jedes Spiel gewann. Am Ende aber haben alle verloren – und nicht nur die Vereinsführung jegliche Kontrolle über das Geschehen (Kennzeichen: Panik). Aber mit einem Fußballtrainer verhält es sich wie mit einem Ehepartner: Man kann nicht gleichzeitig die Scheidung verlangen und seine Liebe beteuern.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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