Märkte Wirtschaft

Transparenz und Stimmenwirrwarr

am
15. August 2013

Nun geht es also wieder aufwärts mit dem Wachstum in der Eurozone und die jüngsten Zahlen scheinen nicht wenige Kommentatoren in einen beinahe schon als euphorisch zu bezeichnenden Zustand zu versetzen. Und wenn dann noch Problemländer an der Peripherie sich in die richtige Richtung zu entwickeln scheinen, sollte es nicht erstaunen, wenn sich Politiker diesen Erfolg auf die Fahnen schreiben werden. Mit der möglicherweise fatalen Erkenntnis, dass sich ihre Austeritäts-Strategie in Kombination mit Strukturreformen doch noch als die Richtige erwiesen hat. Wie schnell sich doch die Zeiten ändern können, wenn Wachstumszahlen wieder leicht über die 0-Grenze (0,3 Prozent) steigen und somit ein Ende der Rezession signalisieren! Ich kann ob dieses doch rapiden Stimmungswandels nur den Kopf schütteln. Vor allen Dingen, weil es die politischen Entscheider in der vermeintlichen Sicherheit wiegt, aufgrund des gefühlten nachlassenden ökonomischen Drucks nichts tun zu müssen.

Unterdessen führt die Politik der Transparenz und gutgemeinten Orientierungshilfe der US-Notenbank zu mehr Verwirrung als Ordnung. Dabei möchte ich nicht nur das jüngste Statement von FOMC-Mitglied James Bullard erwähnen, wonach der Offenmarktausschuss noch mehr Daten benötigt, bevor das so genannte Tapering beginnen kann. Bullard ging sogar noch einen Schritt weiter, als er bekundete, es bestünde ein Risiko, die Anleihekaufprogramme zu früh auslaufen zu lassen. Zudem dürfe man mit dem Tapering nicht auf „Autopilot fahren“. Ein nicht unwichtiger Punkt, denn die Finanzmärkte könnten selbst wenn der Tapering-Prozess einmal angestoßen ist, keine Schlüsse auf dessen weitere Geschwindigkeit ziehen.

 

Wenn der Schuldendeckel wieder droht

Wenn man sich dann auch noch einen größeren Beitrag in der gestrigen Ausgabe der Financial Times[1] zu Gemüte führt, sollte man nicht die möglichen Einflüsse seitens des US-Kongress unterschätzen, wenn etwa wieder einmal der Schuldendeckel im September oder Oktober erreicht wird. Zumindest nach Ansicht einer relativen Minderheit von Ökonomen könnte dies einen Tapering-Prozess der Fed verzögern oder gar unterbrechen. Damit sind wieder alle Optionen offen und es entsteht bei den Akteuren der Eindruck, die Notenbank würde angesichts der ökonomisch unklaren Situation auf Sicht fahren. Und so entsteht trotz aller Transparenz (Bullard möchte davon offensichtlich noch mehr davon, wenn er nach jeder Sitzung des Offenmarktausschusses eine Pressekonferenz fordert) eine unübersichtliche Situation, die die Marktteilnehmer auf wichtige ökonomische Daten kurzfristig überreagieren lässt. Dabei sollte man nicht vergessen, dass es auch bei der Fed eine so genannte Regretaversion gibt, die Abneigung, sich möglicherweise als fehlerhaft herausstellende Entscheidungen bedauern zu müssen. Eine Aversion, die im Zweifel eher zur Beibehaltung des Status quo führen wird. So gesehen, ist die nach der gestern veröffentlichten Reuters-Umfrage von den Ökonomen im Durchschnitt erwartete Reduktion der Anleihekäufe von 15 Mrd. US-Dollar zwar keine ernsthafte Drosselung, aber dennoch hoch genug, um die Entscheidung eines unentschlossenen Notenbankers noch einmal hinauszuzögern

Was die Anleger hierzulande aus dieser ganzen Gemengelage machen, habe ich versucht anhand der Zahlen jüngsten Sentiment-Erhebung der Börse Frankfurt (hier) herauszufinden, wo sich die Stimmung ebenfalls etwas verbessert hat. Mein Mitstreiter Gianni Hirschmüller hat sich (hier) um die Analysedetails gekümmert.



[1] Fiscal Divisions on Capitol Hill Prompt Fed Tapering Concerns, FT vom 14. August 2013

 

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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