Märkte Wirtschaft

Fragwürdige Facebook-Feier und andere Ungereimtheiten

am
1. August 2013

Ich musste mir gestern schon etwas die Augen reiben, als ich erfuhr, dass mancherorts regelrecht Feierlaune ausgebrochen war, weil die Facebook-Aktie zum ersten Mal seit über einem Jahr ihren Ausgabepreis vom Mai 2012 wieder überschritten hatte. Endlich, könnte man auch sagen, denn das Papier hatte zwischenzeitlich, ausgehend von 38 US-Dollar, mehr als 50 Prozent seines Wertes verloren und war bereits von manchem Investor totgesagt worden. Jetzt ist also alles wieder gut, und die fundamentalen Nachrichten dazu scheinen auch zu passen, wenn etwa das Handelsblatt heute resümiert, Facebook hätte seine Hausaufgaben gemacht.

Ich frage mich, ob die Reaktionen der Börsianer genauso positiv gewesen wären, wenn sich der Preis von Facebook seit der Emission zunächst erst verdoppelt und in den Folgemonaten wieder auf das heutige Niveau halbiert hätte. Aber an der Börse ist es halt wie im Fußball, wo ein Unentschieden, das nach einem Rückstand erzielt wurde, psychologisch viel mehr wert ist, als wenn man lange Zeit geführt hat und am Ende doch noch den Ausgleich hinnehmen muss. Verluste und Gewinne werden eben nicht gleich stark bewertet.

Überbewertet wird auf jeden Fall, das, was im Anschluss an die gestern endende Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank bekannt wurde. Ich verstehe, dass man einer zum so genannten Event-Risiko hochstilisierte Konferenz unbedingt etwas abgewinnen möchte, weil sonst die ganze Warterei und Aufregung im Vorfeld womöglich umsonst gewesen wären. Aber darf Ben Bernanke noch nicht einmal mehr eine leichte Veränderungen der Einschätzung der konjunkturellen Situation seines Landes mittels eines leicht veränderten Adjektivs („modest“ statt „moderate“) zum Ausdruck bringen, ohne dass die Akteure an den Finanzmärkten versuchen etwas in das Statement des Fed-Chefs hineinzuinterpretieren, das es wahrscheinlich gar nicht gibt? War der Offenmarktausschuss jetzt eher taubenhafter oder falkenhafter als erwartet; kommt das Tapering nun im September, im Oktober oder überhaupt nicht? Ich vermag es nicht zu sagen und die Märkte offenbar auch nicht, die mehrheitlich dort landeten wo sie gestern ihre Reise begonnen hatten.

Ob es in den kommenden Tagen am deutschen Aktienmarkt hoch hergehen wird, hat mein Mitstreiter Gianni Hirschmüller in seinem jüngsten Kommentar zur Sentimenterhebung der Börse Frankfurt (hier) zu ergründen versucht. Ich selbst habe mich dieses Mal um die Analysedetails (hier) gekümmert.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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