Dollar am Morgen Märkte

The Great Lockdown

am
15. April 2020

EUR USD (1,0970)             Eigentlich konnte man erwarten, dass sie beängstigend schlecht ausfallen würde. Die Rede ist von der jüngsten Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF), wonach die globale Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 3 Prozent schrumpfen wird. Das wäre eine größere Kontraktion als nach der Finanzkrise von 2007/08. Im Vergleich zur Januar- Prognose, bei der der IWF noch von einem Wachstum von 3,3 Prozent im Jahr 2020 ausging, bedeutet die jüngste Projektion eine Veränderung zum Schlechten von insgesamt 6,3 Prozentpunkten. Eine Rezession, der der IWF die Bezeichnung „The Great Lockdown“ verlieh, was so viel wie „die große Ausgangssperre“ bedeutet. Für Deutschland sieht die Prognose übrigens eine Schrumpfung von 7 Prozent in diesem Jahr vor.

 

V – wie Victory?

Im kommenden Jahr soll dann alles besser werden, denn das Basisszenario des Währungsfonds sieht für 2021 eine Wachstumserholung von 5,8 Prozent vor, was letztlich einer V-förmigen Erholung der Weltwirtschaft gleichkäme[1]. Wobei die Chefvolkswirtin des IWF, Gita Gopinath, gleichzeitig davor warnte, das Eintreten eines solches Szenarios als garantiert anzusehen. Diese Ansicht vertraten übrigens auch die von der BofA jüngst befragten Fondsmanager, von denen sich nur 15 Prozent für eine V-förmige Erholung begeistern konnten. Das Gros (52 Prozent) geht dagegen eher von einem U-förmigen Wachstumsverlauf aus.

 

Extremer Pessimismus

Aber die in der Woche vom 1. bis 7. April befragten Fondsmanager bekundeten darüber hinaus einen extremen Pessimismus. Nicht nur weil die Kassenquoten einmal mehr, nun von 5,1 auf 5,9 Prozent, geradezu nach oben schossen, was dem höchsten Stand seit den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001 entspricht. Ein Pessimismus, der vom niedrigsten Stand der Aktienallokation der Vermögensverwalter seit März 2009 sekundiert wird. Dabei ist es fast überflüssig zu erwähnen, dass 93 Prozent der Befragten in diesem Jahr eine weltweite Rezession erwarten. Auch sollte es nicht überraschen, dass das größte Extrem-Risiko in einer zweiten COVID-19-Welle – 57 Prozent der Befragten äußerten diese Sorge – gesehen wird.

 

Bullishe Dollar-Positionen immer noch ziemlich beliebt

Nun ahnen Sie bestimmt bereits, wie der berühmte BofA „Bull & Bear“-Indikator auf einer Skala von 0–10 ausgefallen ist. Ja, bei Erhebungsende am 7. April herrschte ein extremer Pessimismus, der sich in einem Indikatorwert von 0,0 niederschlug. Wer jedoch aufgrund dieses extremen Wertes jetzt eine konträre Position in Gestalt eines bullishen Aktienengagements vornehmen möchte, sei vorsorglich gewarnt. Denn ein Teil einer potenziell darauf beruhenden Erholungsbewegung im US-Aktienmarkt liegt womöglich bereits hinter uns.

Zu den beliebtesten Positionen im April, allerdings nur an dritter Stelle, gehörten übrigens Long-Engagements im US-Dollar. Sollten diese Dollar-Positionen tatsächlich noch existieren, dürften diese sich nunmehr unter Wasser befinden, wenngleich auch in nicht allzu großer Tiefe. Tatsächlich ist es sogar erstaunlich, dass der Greenback nicht schon viel niedriger notiert, wenn man die derzeit vorherrschende Risikofreude an den Aktienmärkten zugrunde legt. Ganz zu schweigen von den großen Stimulus-Programmen der US-Notenbank. Und so schleicht sich auch der Euro nur langsam nach oben, wobei der Gemeinschaftswährung allerdings das Momentum des übergeordneten kurzfristigen Abwärtstrends fast vollständig geraubt wurde. Ein Trend, der übrigens nach Überschreiten von 1,1000/05 (leicht modifiziert) beendet wäre. Unterhalb von 1,0890/95 würde indes das ursprüngliche Abwärtsmomentum wieder aufleben.

 

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

[1] V-förmig, weil die grafische Darstellung der Wachstumsentwicklung einem V ähneln würde. Analog dazu die U-förmige Wachstumsentwicklung, wo nach die Erholung nach einer Rezession erst mit erheblicher Verzögerung eintreten würde.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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