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21. Januar 2014

Geburtstagsfeiern können richtig anstrengend sein. Vor allen Dingen, wenn man sie selbst ausrichtet. Das Ganze kann sogar in Stress ausarten, falls man beispielsweise zehn Personen zum Abendessen bewirten möchte. Dabei sollte so eine Einladung für das Geburtstagskind entspannend sein und nicht bedeuten, dass man bis zur letzten Sekunde den Kochlöffel schwingt und am Ende schweißüberströmt neben seinen Gästen Platz nimmt. So ging es zumindest meinem Freund K. aus Berlin fast jedes Jahr. Die Gäste haben es genossen und sind immer gerne gekommen. Und er stand den ganzen Tag in der Küche und, nach zwei, drei Stunden Geselligkeit, landete er wieder dort, zwischen Bergen von dreckigem Geschirr, verschmierten Gläsern und jeder Menge Essensresten. 

Dieses Mal sollte es anders werden – kein Kochen, kein Stress, schwor sich K. Stattdessen lud mein Freund in ein Restaurant ein, wobei er der Einladung den Hinweis hinzufügte, dass er sämtliche Getränke übernehmen werde. Um es gleich vorwegzunehmen: Es handelt sich nicht um eines dieser Restaurants, in denen der Kellner sichtlich verstimmt reagiert, wenn man nicht ein mehrgängiges Menü bestellt, sondern nur eine Kleinigkeit aus der Karte wählt.

Aber es sollte nicht lange dauern, nachdem mein Freund die Einladungen verschickt hatte, da erhielt er von einem seiner Gäste eine Email mit der alarmierten Anfrage, ob man sich etwa Sorgen um K.‘s finanzielle Situation machen müsse. Dem angeschlossen war der „freundschaftliche“ Hinweis, K. solle doch lieber die komplette Rechnung übernehmen, um alle Irritationen zu vermeiden: „So kennt man Dich nicht“, hieß es in der Nachricht.  Nicht dass es gar Gerede oder gar eine Missstimmung gebe. Auch ein anderer der Geladenen machte eine ähnliche Bemerkung.

 

Fluch des Kostenlosen

Mein Freund K. wirkte ziemlich verunsichert, als er mich anrief. Dabei hatte er seine Entscheidung bereits getroffen: Ja, er habe es sich überlegt, er werde in den sauren Apfel beißen, die ganze Rechnung übernehmen und vermutlich für diesen Abend mehrere 100 Euro berappen müssen. Zu schade, dass ich aus zeitlichen Gründen werde nicht dabei sein können, denn diese anspruchsvollen Zeitgenossen hätte ich gerne einmal näher kennengelernt.

Überhaupt habe ich mich gefragt, woher das Anspruchsdenken dieser beiden Gäste herkam. Solche Freunde braucht man eigentlich nicht. Zumal K., ein Journalist, zwar als wohlhabend, aber dennoch nicht als steinreich gelten kann, als dass er mal eben in einem Restaurant eine Party schmeißen könnte. Und selbst, wenn! Aber mit den Jahren hatte sich offensichtlich bei einigen dieser Gäste ein Referenzpunkt eingeschlichen. Man war es gewohnt, alljährlich vom Geburtstagskind bekocht zu werden. Und jetzt soll man plötzlich einen Teil der Zeche selbst zahlen? Das ist schon wie ein wahrgenommener Verlust, obwohl man sich doch eigentlich denken könnte, dass Restaurantbesuche meist viel teurer sind als häusliche Einladungen. Oder war dies die Strafe für K., dass er sich dieses Mal nicht persönlich ins Zeug legen wollte?

Oder gehört dieses Anspruchsdenken gar zum Zeitgeist? Unwillkürlich fühlte ich mich an eine andere Situation erinnert. So dachte ich an die Zeitungen und Journalisten, die im Internet tagtäglich wertvollen Content produzieren; und dies kostenlos. Die Texte werden gern gelesen, und an die Geschichten erinnert man sich. Aber, wehe, der Tag kommt, an dem die Produzenten dieser Geschichten den Lohn bekommen möchten, der ihnen eigentlich zustünde. Wenn solche Inhalte mit einem Male und selbst mit einem nur geringen Obolus bezahlt werden müssen, ist das Geschrei der Leser riesengroß und nicht selten gibt es sogar unverschämte Reaktionen. Aus psychologischer Sicht mag dies verständlich sein, wird man als Verbraucher doch plötzlich mit einem Verlust konfrontiert, den man früher nicht gehabt hat. Aber es kann doch eigentlich nicht selbstverständlich sein, solche Leistungen kostenlos und stillschweigend zu beziehen.

Immerhin war ich am Ende froh, von meinem Freund zu hören, es hätte ihm ein dritter Gast geschrieben. Verbunden mit dem Dank für die Einladung fügte er hinzu, er wäre auch zu K.‘s Geburtstag gekommen, wenn er alles hätte selbst bezahlen müssen.

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2 Kommentare
  1. Antworten

    Nadine

    29. Januar 2014

    Meine Vorstellungen von Freundschaft sehen da auch anders aus. Mir wäre viel wichtiger, den Geburtstag eines Freundes feiern zu dürfen und ein nettes Beisammensein zu erleben. Von mir aus bezahle ich dann das Essen und die Getränke selbst. Auch wenn ich früher alles hätte bezahlt bekommen und dann plötzlich nicht mehr. Vielleicht würde ich denken, dass er aus irgendeinem Grunde sparen muss, aber ich würde ihn nie darauf ansprechen und mich wie gesagt auf die Feier freuen, weil es nur darauf ankommt. K. sollte vielleicht diese Freundschaft nochmal überdenken? Aber eigentlich kann man auch mit diesen „Freunden“ Mitleid haben, da sie keine Dankbarkeit mehr haben und nichts zu schätzen wissen.

  2. Antworten

    Severin

    11. Februar 2014

    Den unverschämten Gast, der lieber die ganze Rechnung bezahlt bekommen wollte, hätte ich wieder ausgeladen. Ich denke man sollte keine Geste, kein Geschenk und keine Einladung als selbstverständlich ansehen. Ich wäre auch nicht beleidigt wenn ich mal eingeladen werde und im nächsten Jahr vielleicht nicht. Das Geburtstagskind entscheidet doch, wie gross und mit wem es feiern möchte.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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