Märkte

Tag der Entscheidungen

am
7. Juni 2017

Für viele Akteure an den Finanzmärkten scheint es nur noch eines zu geben: den bevorstehenden Super-Donnerstag, an dem nicht nur die Briten zur Wahlurne gebeten werden, sondern die Europäische Zentralbank tagen und James Comey, der ehemalige FBI-Chef, vor dem Geheimdienstausschuss des US-Senats aussagen wird. Ein buntes Gemisch von Informationen und eine Unzahl von Kombinationsmöglichkeiten für den künftigen Verlauf der Entwicklung an den Finanzmärkten, womit die meisten Akteure allerdings überfordert sein dürften. Es wird möglicherweise sogar zu einem Informations-Overkill kommen, mit der Folge, dass die vielerorts erwartete (und erhoffte) Volatilität womöglich längst nicht so stark wie erwartet ausfallen wird.

Selbst wenn man alle besagten Informationen bereits vor deren Veröffentlichung zur Verfügung hätte, wäre längst nicht klar, was man damit anfangen sollte. Das wird schon am Beispiel der britischen Unterhauswahl deutlich, wo einem die Umfragen unter den Wählern suggerieren sollen, für welche Partei sich diese am Ende entscheiden werden. Nach Stand der Vorhersagen, werden die von Theresa May geführten Konservativen am Ende gegenüber der Labour-Partei einen Vorsprung von ein bis 7 Prozentpunkten haben. Ein recht breites Vorhersageband also, obwohl viele Umfrage-Institute angeblich aus den Prognosefehlern vom Brexit gelernt haben und ihre Modelle teilweise daran angepasst haben wollen.

 

Schnell mal nachoptimiert

Das erinnert mich immer an Handels- oder Vorhersagemodelle an den Finanzmärkten, die nach einer ungünstigen Performance-Entwicklung bzw. einer schlechten Prognosephase nachträglich durch Schrauben an einigen Parametern angepasst werden und danach auch nicht besser funktionieren. Denn je mehr Parameter ein solches Modell aufweist, desto besser kann zwar die Vergangenheit nachgebildet werden. Aber Enttäuschungen, was die Zukunft angeht, sind programmiert.

Man stelle sich nur einmal vor, dass das von mir für am wahrscheinlichsten gehaltene Wahlergebnis vorab bereits als harte Information zur Verfügung stünde. Was würde man tun im Fall, wonach Theresa May zwar die Unterhauswahl gewinnen würde, aber nicht über die angestrebten 50 Sitze Vorsprung verfügte, womöglich sogar die absolute Mehrheit verlöre?[1] In diesem Falle müsste Theresa May eigentlich zurücktreten, denn sie hatte die vorgezogenen Neuwahlen ursprünglich einberufen, um ihren Entscheidungen zum Brexit eine breitere Basis zu verleihen. Was käme danach? Möglicherweise eine Spaltung der Konservativen Partei? Hard Brexit? Soft Brexit? Es gibt einfach zu viele mögliche Szenarien (von denen wir automatisch die meisten ausblenden). Oder würde die Premierministerin doch nicht zurücktreten?

Was die Anleger am hiesigen Aktienmarkt erwarten, können Sie meinem heutigen Kommentar, den ich HIER für die Börse Frankfurt erstellt habe, entnehmen. Falls Sie ein bewegtes Bild bevorzugen, drücken Sie bitte HIER.

 

 

[1] Eigentlich müsste die Premierministerin Ihre derzeitige Mehrheit von 17 Sitzen mindestens auf 34 verdoppeln um halbwegs von einem Erfolg sprechen zu können

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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