Märkte

Gedanken unter dem Dach eines Allzeithochs

am
31. Mai 2017

Gefühlt ist es schon eine Ewigkeit her, dass der DAX ein neues Allzeithoch markiert hat. Tatsächlich sind seit dem letzten Gipfel etwas mehr als zwei Wochen verstrichen, ohne dass es in der Zwischenzeit zu einem massiven Einsturz der Börsenkurse gekommen wäre. Zwar ist in vielen Kommentaren von allerhand Ungemach die Rede: Italien-Sorgen, Griechenland-Sorgen (obwohl wir uns an diese ja schon längst gewöhnt haben), Wahl-Sorgen in Großbritannien, weil die einst satte Mehrheit der Premierministerin Theresa May laut jüngsten Umfragen mehr und mehr zu schrumpfen scheint. Dennoch hat der DAX im Rahmen seiner seit elf Handelstagen andauernden Abwärtskorrektur gerade einmal 2,7 Prozent an Wert verloren. Das ist weiß Gott nicht viel und hat in der Vorwoche so manchen Investor zum Zugreifen veranlasst.

Im Prinzip handelt es sich demnach um eine Wunsch-Korrektur. Sie ist nicht zu schnell und nicht zu scharf verlaufen. Und fast alle haben sie kommen gesehen. Diejenigen, die kaufen möchten, haben fast so etwas wie „alle Zeit der Welt“ gehabt, sich in Ruhe zu engagieren und auf einen weiteren Angriff auf die Allzeithochs zu hoffen. Ja, man weiß, man kann sich auf das ausländische Kapital, von dem die Aktienmärkte der Eurozone schon seit geraumer Zeit profitiert haben, verlassen. „Da kommt noch mehr“, glauben Insider zu wissen.

 

Kaufen leicht gemacht

Mich stören an dieser Weltsicht zwei Dingen. Zum einen, dass sich die Kapitalzuflüsse aus dem Ausland auf einem ohnehin schon sehr hohen Niveau befinden. Zum anderen halte ich Wunschkorrekturen in Finanzmärkten für nicht ungefährlich. Wenn das Gros der (einheimischen) Akteure zum Zuge kommt, sich in einem Markt nach einer durchschnittlichen Korrektur in aller Ruhe auf der Kaufseite zu positionieren, und die Kurse danach nicht steigen, muss man sich zwangsläufig fragen, wer eigentlich auf der anderen Seite dieser Käufe steht. Bestimmt keine kurzfristigen Händler.

Hoffentlich handelt es sich nicht um langfristige Kapitalabflüsse aus der Eurozone. Ein Indiz dafür wäre, wenn der Euro gegenüber dem US-Dollar – wovon meiner Wahrnehmung zufolge derzeit nicht viele Marktteilnehmer auszugehen scheinen – deutlich an Wert verlieren und unter 1,0800 USD fallen würde.

Oder haben die Käufer der vergangenen Woche schon wieder die Geduld verloren und sich längst eines anderen besonnen? Ob und welche Warnzeichen es für den DAX derzeit gibt, werde ich in meiner heutigen Sentiment-Analyse erläutern, die ich wie immer für die Börse Frankfurt (HIER) erstellt habe. Eine Video-Aufzeichnung dazu finden Sie HIER.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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