Sell Limbic
Als ich gestern Morgen noch leicht verschlafen die Radio-Nachrichten hörte, wurde ich plötzlich hellwach. Denn ich erfuhr, dass die Hamburger Sparkasse offenbar psychologische Profile ihrer Kunden erstellt und diese in verschiedene „Charakterklassen“ einstuft, in der Hoffnung, dadurch effektiver Versicherungen oder Wertpapiere verkaufen zu können. Dabei soll das Institut seine Kunden in sieben Typen einteilen, die teils so griffige Namen wie „Hedonisten“ oder „Abenteurer“ tragen, damit die Berater gezielter auf ihre Kunden zugehen können. Grundlage dieser Analysen mit dem Namen „Sensus“ ist dem Vernehmen nach ein Ansatz namens „Limbic“, den Psychologen entwickelt haben – Recherchen des NDR zufolge geht dieses Konzept auf die Unternehmensberatung „Gruppe Nymphenburg“ zurück, deren Chef Hans-Georg Häusel* ist.
Kein Wunder, dass derartige Kundenprofile die Hamburger Verbraucherzentrale auf den Plan ruft, die sich, nicht ohne eine gewisse Neigung zur Theatralik, heftig über diese Form der Kundenbeeinflussung echauffiert. Und das nicht nur, weil offenbar das Unterbewusstsein der Kunden angesprochen werden soll, sondern weil diese, so die Recherche, nicht über die Einordnung in bestimmte Profile informiert wurden. Übrigens: Das betroffene Kreditinstitut reagierte umgehend und will künftig keine Psychoprofile mehr erstellen.
Die Einteilung von Menschen in verschiedene Typen mittels Methoden der Hirnforschung ist nichts Neues. Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass diese Charakterisierungen durchaus auch konstruktiv und zum Wohl des Verbrauchers genutzt werden können. Zumindest war dies auch in der Behavioral-Economics-Forschung ursprünglich so beabsichtigt gewesen. Etwa, wenn es um eine realistische Einschätzung der Risikobereitschaft von Anlegern geht, die oft selbst nicht genau vorhersagen können, wie sie in bedrohlichen Situationen reagieren würden oder denen meist gar nicht bewusst ist, wie stark ihr eigenes Bedürfnis nach Sicherheit oder Kontrolle in Wahrheit ist. Denn Selbstbild und tatsächliches Verhalten stimmen beileibe nicht immer überein. Man denke nur an die häufig auftretende Überschätzung eigener Fähigkeiten (Overconfidence), wie sie besonders oft nach einer kleinen Erfolgsserie am Aktienmarkt zu beobachten ist. Darüber hinaus dürfte eine Typisierung auch hilfreich sein, etwa um das Bewusstsein der Anleger zu schärfen, für welche psychologische Fallen sie selbst besonders empfänglich sind.
Im Grunde handelt es sich hierbei also um eine gute Idee. Solange sie der (Selbst)-Erkenntnis dient. Und nicht dem Marketing.
*Hans-Georg Häusel ist u. a. Verfasser des Bestsellers Think Limbic!