Behavioral Living

Schlange stehen mit doppeltem Gewinn

am
3. Januar 2013

Weihnachten 2012 dürfte für viele Menschen das arbeitnehmer-und familienfreundlichste Fest seit langem gewesen sein. Auch für mich. Vor allem, weil man zwischen den Jahren mit wenigen Urlaubstagen die „Brücke bauen“ konnte. Und so machten meine Familie und ich endlich einmal Gebrauch von der jüngst erworbenen Museums-Card, deren Besitzer sich ein Jahr lang kostenlosen Eintritts in die meisten Frankfurter Museen erfreuen kann. Endlich hatten wir einmal ausgiebig Zeit, die eindrucksvollen Ausstellungen „Gustave Caillebotte – ein Impressionist und die Fotografie“ (Schirn Kunsthalle Frankfurt) und die sagenhafte „Schwarze Romantik“ im Frankfurter Städel ansehen zu können.

Dass bei beiden Ausstellungen für Museums-Card-Besitzer kein separater Eingang, ein Schnelleinlass, für die Ausstellungen vorhanden war, konnte ich zunächst nicht so recht nachvollziehen. Stattdessen war etwa beim Frankfurter Städel langes Anstehen angesagt. Denn an den Weihnachtsfeiertagen waren offenbar außer uns auch noch andere Menschen auf dieselbe Idee gekommen, weshalb sich  eine lange Schlange ausharrender Kunstliebhaber bilden sollte, an deren Ende nicht nur wir, sondern auch alle Mitwartenden immer wieder unter den Einfluss teils heftiger Regenschauer gerieten. Endlich im Trockenen und an der Kasse angekommen, gab eine freundliche Dame jedem von uns gegen Vorlage des Museumsausweises eine Eintrittskarte – Preis: 0,00 Euro. Ein Blick auf die Preistafel verriet mir, dass ich heute, am zweiten Weihnachtsfeiertag, satte 24 Euro Einlassgeld für eine Familienkarte eingespart hatte. Und auch im anderen Museum war die Ersparnis kaum minder: wieder 20 Euro!

 

Bewusste mentale Konten für Kunstliebhaber

Da wurde mir mit einem Schlage klar, dass man womöglich ganz bewusst auf einen separaten Einlass für Museums-Card-Besitzer in zwei der wichtigsten Frankfurter Museen verzichtet hatte. Der unvermeidbare Blick auf die Preistafel beim Warten vor dem Kassenschalter sorgt nämlich für eine besonders bewusste mentale Kontoführung beim Kunden: Geistige Geldgewinne, für die man beim Erwerb der Museumscard eigentlich schon längst bezahlt hatte, wurden einem mit jedem erneuten Blick auf die Tafel noch einmal richtig eindrucksvoll vor Augen geführt. Schnell nachgerechnet war mir nicht nur klar, dass ich kostenmäßig bereits beim sechsten Museumsbesuch aus dem Schneider sein würde. Aber mehr noch vertreibt der vermeintliche Genuss der jeweils ersparten Eintrittsgelder die schlechte Laune beim Schlange stehen. Da fallen fünf oder mehr Minuten mehr an Warterei, weil sich ein paar Menschen auch noch vordrängeln mussten, nicht mehr wirklich ins Gewicht. Zumal wir das Beste, all die schönen Gemälde im Museum, erst noch vor uns haben sollten. So gesehen, sogar ein doppelter Gewinn.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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