Behavioral Living Marketing

Die Rechnung mit den Messern

am
7. Januar 2013

Einige meiner Einkäufe tätige ich mittlerweile bei Penny. Nicht nur weil sich der nächste erreichbare Markt direkt um die Ecke befindet, sondern weil man dort mitunter recht preisgünstig einkaufen kann. Und so ist mir natürlich auch die jüngste Treuepunkt-Aktion nicht entgangen, bei der man diverse Küchenmesser erwerben kann. Nein, nicht zum Preis von 33,99 oder 39,99 pro Messer, sondern für sage und schreibe 2,99 Euro und 45 Penny-Treuepunkte. Letztere muss man natürlich erst einmal sammeln, und zwar nach der einfachen Regel, nach der es für jede fünf Euro Einkauf einen Punkt gibt. Das wirkt wie früher eine Rabattmarke, die allerdings auf fünf Pfennig genau abgerechnet wurde, ganz im Gegensatz zu heute. Und so kann ich mir vorstellen, dass mach einer an der Kasse bei einer Zwischensumme von 14,99 Euro beim Einkauf schnell noch etwas drauflegt, um einen Treuepunkt mehr zu bekommen, den man ansonsten wegen eines einzigen fehlenden Cent nicht bekommen hätte.

 

Windfall-Gewinne und Kundenbindung

Treuepunkte erhöhen bekanntlich die Kundenbindung, vor allen Dingen wenn damit so schöne Windfall-Gewinne verbunden sind. Da gibt man gerne einmal schnell 2,99 € für ein Messer aus, wenn man die fehlenden 30 Euro (und mehr) über die Punkte quasi nebenher im Schlaf verdienen kann. Und einkaufen muss ohnehin jeder. Also ein Riesengewinn, gegenüber den von Penny mit jeweils 33,99 oder 39,99 Euro bewerteten Schulte-Ufer Messern. Egal, ob es sich um das Santokumesser (Klinge 13 cm) ein Brotmesser mit einer 20er oder ein Schälmesser mit einer 8 Zentimeter langen Klinge handelt. Aber auf Genauigkeit kommt es ja nicht an, denn einem geschenkten Gaul guckt man bekanntlich nicht ins Maul. Wer sich einmal die Mühe macht, wird beim Suchen im Internet sehr schnell herausfinden, dass es all diese schönen Messer anderswo bedeutend preisgünstiger gibt. „Aber selbst dann ist das doch ein Schnäppchen!“ wandte ein Nachbar-Kunde beim zehnminütigen Schlange stehen an der Kasse ein, dem ich von meinen Eindrücken einfach drauflos erzählte. Und er rechnete mir vor, dass selbst bei einer Ersparnis von nur 20 Euro pro Messer der Wert eines Treuepunkts über den Daumen bei 45 Cents, mithin also einem Rabatt von fast 10 Prozent entspräche.

Jetzt war ich fast so weit und hätte mir angesichts dieses Superrabattes und des niedrigen Kaufpreises von 2,99 Euro fast ein Sammelheftchen besorgt, nur um mir etwas zu kaufen, das ich eigentlich überhaupt nicht gebraucht hätte. Wenn da nicht der Holzblock für das Einstecken der der Messer gewesen wäre, für den Penny sage und schreibe 9,99 Euro haben wollte. Ohne Treuepunkte. Ein mentaler Verlust, der schwerer wog als all die schönen mentalen Einzelgewinne zusammen. Erst viel später erfuhr ich, was so ein Block tatsächlich kosten kann. Schade, dass Penny das seinen Kunden verschwiegen hat.

SCHLAGWÖRTER
ÄHNLICHE BEITRÄGE

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

Archiv