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Rettet den Planeten – mit Elektroautos

am
22. September 2010

Es ist immer schon schwer gewesen, den Menschen Opfer zum langfristigen Wohl unserer Erde abzuringen. Zumal Verluste im Durchschnitt zwei bis zweieinhalb Mal stärker als Gewinne in gleicher Höher bewertet werden. Eine Erkenntnis, die selbst dann Gültigkeit besitzt, wenn es um unsere Umwelt geht. Diese Tendenz wird sogar noch verstärkt, wenn Verluste und Gewinne zeitlich auseinanderliegen. Denn wir neigen dazu, positive Ergebnisse einer Entscheidung selbst dann deutlich abzuwerten, wenn sie bereits in der nahen Zukunft liegen. Und weil wir außerdem eine Abneigung gegen Ereignisse mit ungewissem Ausgang haben, erfahren jene noch einmal eine zusätzliche Wertminderung. Folglich wird der Nutzen in der Zukunft liegender und mit Ungewissheit behafteter Gewinne drastisch verringert, während wir sofort fällige Kosten in der Gegenwart in voller Stärke wahrnehmen.

Genau deswegen tun sich Menschen so schwer, fürs Alter privat vorzusorgen. Denn die Erträge einer in der fernen Zukunft liegenden monatlichen Rente vermögen oftmals nicht den Schmerz auszugleichen, den ein Verzicht auf Konsum in der Gegenwart mit sich bringt. Selbst wenn die dafür winkende Altersrente über Jahrzehnte durch akkumulierte (zugegebenermaßen unsichere) Zinserträge und Steuervorteile deutlich gesteigert werden kann.

Und so dürfte es auch kaum überraschen, wenn einer jüngsten Nielsen/FT-Umfrage zufolge Verbraucher nicht bereit sind, für ein Elektroauto mehr als für einen herkömmlichen Wagen zu bezahlen. Da mögen selbst gut gemeinte staatliche Öko-Zuschüsse fehlschlagen, wenn jene  den Kaufpreis für das sauberere Auto nur marginal verringern. Tatsächlich müssten derartige Subventionen so hoch sein, dass sie die Anschaffungskosten für ein Elektroauto unter die eines konventionell angetriebenen Kraftfahrzeugs drücken. Denn gute Aussichten für eine sauberere Zukunft und langfristig niedrigere Energiekosten alleine dürften kaum ausreichen, jemanden zum Kauf eines alternativ betriebenen PKW zu bewegen.

„Und wer bezahlt das alles?“ werden Sie jetzt sicherlich fragen. Auch der Staat kann sich natürlich Diskontierungseffekte zunutze machen. Denn nicht nur zukünftige Gewinne, sondern auch in der Zukunft liegende Kosten werden von den Menschen drastisch abgewertet. Man denke nur an die Bafög-Kredite, die Studenten zur Finanzierung ihres Studiums angeboten bekommen. Ein Darlehen, das sich zunächst wie eine drückende Last für die Zukunft ausnimmt, sieht doch gleich viel weniger dramatisch aus, wenn man bedenkt, dass die Rückzahlung der Schuld erst am Ende des Studiums und nur dann beginnt, wenn eine Arbeit mit ausreichendem Einkommen zur Tilgung des Kredits gefunden worden ist. Also ein Ereignis, das erst in der fernen Zukunft liegt und zudem auch noch – weil an eine Bedingung geknüpft – ungewiss ist. Gleichermaßen könnte sich der Staat die Investitionszuschüsse von heute in ein paar Jahren durch zusätzliche Abgaben auf alternative Energien wieder zurückholen. Der Verbraucher jedenfalls würde dies verkraften, vor allem wenn noch niemand weiß, ob überhaupt und auf welche Weise solche Verluste einmal zu Buche schlagen werden.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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