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2. Mai 2011

Vor nicht allzu langer Zeit habe ich mir einen Androiden besorgt und bin mit diesem Handy rundum zufrieden. Obwohl ich Handyspiele eigentlich hasse, konnte ich es mir nicht verkneifen, ein so genanntes App herunterzuladen. Ja, ich gestehe es, es war eigentlich ein nervtötendes und unsinniges Spiel, welches ich mir, kostenlos versteht sich, besorgt hatte: Roulette. Roulette ohne Risiko sozusagen. Man fängt mit einem virtuellen Einsatz von 1000 Dollar Spielgeld an und mit der Zeit bemerkte ich, dass ich zumindest auf dem Display immer reicher wurde. Mittlerweile ist mein Kontostand bei knapp 40.000 Dollar angelangt. Und das bei einem Tischlimit von 250 Dollar pro Spielrunde. Wo es doch immer heißt, dass man langfristig selbst beim Roulettespiel mehr bezahlt als kassiert. Weil es ja die Null als 37. Zahl gibt, bei der die Bank gewinnt. Nachdem ich aus Neugier über viele Tage hinweg immer wieder einmal in einem ruhigen Moment den Roulette-Kessel in Bewegung gesetzt hatte, fiel mir auf, dass selbst nach über 400 Spielrunden die Kugel nicht ein einziges Mal auf der Null gelandet war. Eigentlich hätte ich theoretisch bis dahin zehn Mal die Null sehen müssen. Aber es soll ja auch Zufälle geben.

Das Ganze erinnerte mich an meine Anfangszeit als Eigenhändler, als ich mit so genannten Papertrades, also ohne reales Engagement, die eine oder andere Strategie ausprobierte. Das hat auch ganz gut geklappt, so dass ich alsbald mutig wurde und echtes Geld in die Hand nahm. Am Anfang, als die Einsätze noch niedrig waren, war ich gar nicht so schlecht. Dann wurde ich noch mutiger, aber seltsamerweise sank mit den steigenden Einsätzen meine Performance. Heute weiß ich, dass Papier geduldig ist und sich die Welt des Handelns bei größeren materiellen Einsätzen und damit steigendem Commitment ganz anders anfühlt.

Dieselbe Gefahr dürfte den vielen Menschen drohen, die unbedarft das nette Roulettespiel auf ihr Handy herunterladen. Da kann man ohne Commitment so richtig drauflos spielen und vor allem auch immer wieder neu anfangen, mit einem Startguthaben von 1000 Dollar und keinen Schulden aus den Vorrunden. Gefährlich wird es allerdings, wenn man – wie ich damals – zu glauben beginnt, die Gratis-Simulation, der Papertrade, lasse sich im richtigen Leben mit richtigem Geld ganz einfach wiederholen.

Da muss man ganz schön Glück haben.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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