Dollar am Sonntag Märkte

Manchmal sind schlechte Zahlen gute Zahlen

am
9. Mai 2021

Was für eine Enttäuschung! Die Rede ist vom jüngsten US-Arbeitsmarktbericht, der am Freitag publiziert wurde und für den Monat April nur einen Stellenzuwachs im Nichtagrarbereich von 266 Tsd. Jobs auswies. Dabei hatte doch „der Markt“ viel, viel mehr erwartet. Ich möchte gar nicht darauf herumreiten, dass die Median-Schätzung der Ökonomen von knapp 1 Million neu geschaffener Stellen bei weitem verfehlt wurde. Nein, das Prognoseband, gebildet von 77 Ökonomen, erstreckte sich dem Vernehmen nach von einem Plus von 700 Tsd. bis zu 2,1 Mio. Man könnte auch sagen, dass der Anker dieses Bandes so hoch und weit gesetzt wurde, dass die Chancen für eine positive Überraschung – was immer „positiv“ heißen mag – fast gleich null waren.

 

Eine alte Hochrechnung im Kopf

Aber ein Stellenzuwachs von 1 Million (oder ein bisschen weniger) geisterte nun einmal bei vielen Akteuren im Kopf herum. Und diese Erwartung rührte von der außergewöhnlich hohen März-Zahl bei den Nonfarm Payrolls her, die ursprünglich mit 916 Tsd. verkündet wurde und nun zu allem Überfluss auch noch auf 777 Tsd. revidiert werden musste. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie vor einem Monat (vgl. meinen Kommentar HIER) viele Akteure angesichts dieser Wahnsinns-Zahl von zunächst 916 Tsd. neu geschaffenen Stellen hochzurechnen begannen: Noch neunmal so viele für den Rest des Jahres und die während der Corona-Pandemie verloren gegangenen Stellen wären praktisch alle wieder vorhanden.

Wie blödsinnig derartige Hochrechnungen sind, haben wir nun am Freitag gesehen. Interessanterweise kommt jetzt kaum jemand auf die Idee, im Kopf zu überschlagen, wie oft man den Stellenzuwachs vom April, eben besagte 266 Tsd. Jobs, multiplizieren müsse, bis die restlichen rund 8,1 Millionen abgebauten Stellen aufgeholt sein würden[1].

 

Hauptsache keine Tapering-Diskussionen

Viel interessanter ist jedoch, was die Finanzmärkte aus diesem sehr enttäuschenden Arbeitsmarktbericht gemacht haben. Das Bild drängte sich der eigenen Phantasie förmlich auf, wie sich die Mitglieder des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC) gegenseitig abklatschten! Nach dem Motto, dass es (wie vom FOMC immer wieder kommuniziert) noch lange dauern werde, bis die US-Ökonomie sich tatsächlich überhitzen würde. Und Tapering-Diskussionen? Die braucht es erst mal nicht, so die Denke vieler Akteure. Und so wurde vor allen Dingen an den US-Aktienmärkten aus schlechten Zahlen ein weiterer Impuls für neue Allzeithochs beim S&P 500 und beim Dow-Jones-Index gemacht.

 

Volatile Staatsanleihen

Dass die Angelegenheit dann doch nicht so einseitig und deutlich zu bewerten ist, zeigt die Reaktion bei den US-Staatsanleihen, wo die Rendite der „Zehnjährigen“ zunächst um knapp 10 Basispunkte absackte, um sich umgehend wieder zu erholen. Als ob uns die Händler sagen wollten, dass es jenseits der ohnehin recht volatilen Nonfarm Payrolls-Zahlen auch noch andere ökonomische Indikatoren gibt, die zuletzt ausgesprochen gut performt haben.

Eindeutig war indes die Reaktion des Greenback, der gegenüber dem Euro erheblich Federn lassen musste. Letzterer hat nunmehr seinen kurzfristigen Aufwärtstrend nach Überschreiten von 1,2090 wieder verstärkt; dessen Momentum bleibt oberhalb von 1,2050/55 erhalten und weist unter dieser Prämisse Potenzial bis auf zunächst 1,2270 auf.

 

 

Hinweise

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

[1] Wir müssten unter dieser Prämisse nun rechnerisch rd. zweieinhalb Jahre warten

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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