Gesellschaft Märkte

Low Noon oder Kurssturz bei Warrens wohltätigem Lunch

am
10. Juni 2013

Ich staunte nicht schlecht, als ich am Wochenende erfuhr, dass Warren Buffett dieses Mal seine alljährliche Einladung zu einem wohltätigen Mittagessen[1] bei eBay nur für eine Million US-Dollar versteigern lassen konnte. Dieser Betrag nimmt sich geradezu mickrig aus, wenn man ihn mit dem Ergebnis der Versteigerungen in den beiden Jahre zuvor vergleicht. 2011 konnte sich der Gewinner der Auktion für ein Eintrittsgeld von 2,63 Millionen Dollar glücklich schätzen, mit dem Orakel von Omaha und weiteren sieben Freunden im berühmten New Yorker Steakhouse Smith & Wollensky zu Mittag essen zu dürfen. Und im vergangenen Jahr musste man für einen Lunch mit Warren sogar 3,46 Millionen Dollar hinlegen. Insofern kann man die eine Million, die ein bislang unbekannter Bieter für dieses Vergnügen berappen muss, als wahres Schnäppchen ansehen. Oder als einen Kurssturz von mehr als 70 Prozent!

Fast schon ein wenig besorgt fragte ich mich, ob die Reichen aus Amerika und dem Rest der Welt wohl spendenmüde geworden sind oder ob einfach nur die Vernunft in den Gehirnen der Bieter Einzug gehalten habe. Vielleicht wollten sie angesichts der Auktionen der Vorjahre nicht mehr dem Fluch des Gewinners erliegen und sich gegenseitig beim Eintrittsbillett zu einem völlig überteuerten Mittagessen gegenseitig überbieten, auch wenn der Erlös dieser Versteigerung einem guten Zweck dienen soll. Immerhin hatte der Sieger von 2011 nach Angaben von Reuters als Dessert zum Luxus-Lunch einen Top-Job als Investmentmanager bei Buffetts Fonds Berkshire Hathaway serviert bekommen.

 

Reiche noch reicher, aber knauseriger?

Doch noch am selben Tag las ich zufällig den jährlichen Report der Federal Reserve Bank von St. Louis. Dort erfuhr ich, dass 62 Prozent der Erholung der Vermögenswerte bis zum Ende des vergangenen Jahres allein den steigenden Aktienkursen zuzuschreiben gewesen wären. Und das bereitete mir Kopfzerbrechen. Denn im Jahr 2010 befanden sich gemäß einer Studie 91,4 Prozent der Aktien und Investmentfonds im Besitz des oberen Zehntels der US-Bevölkerung, und das oberste Prozent hielt etwa die Hälfte davon[2]. Diese Zahl per se überrascht noch nicht, war doch der Anteil der Reichen und Superreichen am Gesellschaftsvermögen während der vergangenen 30 Jahre immer schon sehr hoch gewesen. Aber die äußerst lesenswerte Studie zeigt, dass die Finanzkrise diese ungleiche Verteilung der Vermögen in der US-Gesellschaft durch die Krise noch verstärkt hat: Die mittleren Vermögen sind im Zuge dieser Entwicklung real sogar auf den niedrigsten Stand seit 1969 gedrückt worden! Genauso wie sich die Lücke zwischen sinkenden mittleren und den hohen Einkommen (gemessen am Median) während dieser Zeit noch einmal vergrößert hat. Am Ende haben also die Haushalte der Reichen von der Erholung der Aktienkurse, ausgelöst durch die quantitativen Lockerungsprogramme der US-Notenbank, überproportional profitiert.  Unterdessen wurden die durch die Krise verloren gegangenen Arbeitsplätze durch schlechter bezahlte ersetzt – eine Tendenz, die gerade auch in den Arbeitsmarktdaten vom vergangenen Freitag zu Tage getreten ist: Mehr als die Hälfte der neu geschaffenen Stellen entstanden im Niedriglohnbereich.

Bleibt am Ende die Frage, warum die Reichen nicht mehr Geld für Warrens Einladung zum Lunch lockergemacht haben. War dies das Ergebnis einer konzertierten Kostensenkungsaktion von den Reichen dieser Welt?  Oder war die Zurückhaltung bei der Auktion bereits ein Hinweis darauf, dass man sich demnächst auf einen massiven Kursrückgang im Aktienmarkt vorbereiten muss, weil man unter den oberen 10.000 dieser Welt mit dem Versagen der Notenbankpolitik und massiven Kursverlusten rechnet?



[1] Der Erlös kommt der Wohltätigkeitsorganisation GLIDE in San Francisco zugute, die  die Armen des Bezirks mit Obdach, Essen und anderen Dienstleistungen versorgt

 

[2] Wolff, Edward N.: The Asset Price Meltdown and the Wealth of the Middle Class, New York University 2012

 

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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