Märkte

Kein frühes Tapering der Fed

am
31. Oktober 2013

Nun, da brauche ich schon sehr viel Fantasie, um wirklich zu glauben, die US-Notenbank werde noch in diesem Jahr mit dem Zurückfahren der Anleihekäufe beginnen. Auch wenn die heutige Ausgabe der Financial Times titelt, die Fed halte sich die Tür für ein Tapering (im Dezember) offen, frage ich mich, was sie auch hätte anderes tun sollen. Und nachdem ich mir das Statement ohne Hilfe eines Linguisten oder Detektiv durchgelesen hatte, frage ich mich, woraus Kommentatoren und Akteure schließen wollen, die Fed werde früher als von den meisten Marktteilnehmern erwartet (mehrheitlich im März 2014) ihren Tapering-Prozess beginnen. Etwa weil gegenüber dem September-Statement ein Satz fehlte, der die damalige Sorge der Notenbanker zum Ausdruck brachte, hohe langfristige Anleihe-Renditen könnten dem Wachstum schaden? Die Renditen sind doch vor allem gesunken, weil die Fed im September auf ein Tapering verzichtet hatte! Klar, dass man sich dort jetzt über das Ergebnis zufrieden zeigt. Warum also diesen Zustand durch ein vorschnelles Tapering gleich wieder zunichtemachen?

Aber noch wichtiger scheint mir: Wo sollen denn die nachhaltig positiven ökonomischen Überraschungen in den kommenden sechs Wochen herkommen, damit der Offenmarktausschuss ernsthaft in Erwägung ziehen könnte, noch vor dem kommenden Jahr die quantitativen Lockerung zurückzufahren?

Ein Teilnehmer bei einem meiner Seminare kam unlängst fast ein bisschen entmutigt zu dem Schluss, Wirtschaftsdaten dürften auf die Aktienkurse derzeit keinen allzu großen negativen Effekt haben. Es sei denn, sie fielen erheblich besser als erwartet aus, weswegen dann, und nur dann, die Fed ihre Kaufprogramme früher zurückfahren und weswegen die Aktienkurse in der Folge paradoxerweise fallen würden.

Damit stehen doch die Chancen steigende Aktienmärkte ausgesprochen gut – oder nicht?

Die Teilnehmer der von der Börse Frankfurt allwöchentlich befragten mittelfristig orientierten Akteure scheinen diese Meinung jedoch nicht uneingeschränkt zu teilen. Während Analysten und Kommentatoren jetzt zwar ungebremst das Bullen-Horn blasen, sind die Händler offenbar viel vorsichtiger. Mein Kollege Gianni Hirschmüller hat sich ihrer Stimmungslage (hier) angenommen. Die Detailanalyse (hier) stammt dieses Mal von mir.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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