Käufer sind in jeder Hinsicht bedient
EUR USD (1,0905) Rückblickend werden einige Marktteilnehmer die Sitzungen der US-Notenbank am vergangenen Mittwoch und der EZB am Donnerstag als Wendepunkte für den bis dahin schwächelnden US-Dollar erachten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit gab es für den Euro am vergangenen Donnerstag eine kleine Short-Squeeze, die den kurzfristigen Abwärtstrend der Gemeinschaftswährung zunächst beendete (vgl. Bericht vom Sonntag HIER). Gestern musste der Euro aber schließlich einen deutlichen Dämpfer hinnehmen. Aus meiner Sicht nicht vollkommen unerwartet, da die Nachfrageseite für den Euro infolge besagter Squeeze naturgemäß ausgedünnt sein musste: Etwaige Käufer waren so in doppelter Hinsicht bereits „bedient“.
Indes: Es gab für viele Akteure ohnehin eine stichhaltige Erklärung für diese Reaktion. Der Dollar sei infolge der drohenden Neuauflage des US-chinesischen Handelskrieges und der damit verbundenen Risikoaversion wieder stark gefragt, hieß es.
Noch mehr Short-Squeezes
Eine ähnliche Gemengelage ergab sich während dieses Zeitfensters auch für die Aktienmärkte dies- und jenseits des Atlantiks. So haben wir wahrscheinlich beim hiesigen DAX mit dem deutlichen Überqueren der 11.000er Marke Mitte vergangener Woche ebenfalls eine Short-Squeeze erlebt. Im gleichen Zuge konnte man mancherorts unter Kommentatoren Zeuge einer Stimmung werden, die in den USA fast schon an die eines heiß laufenden Bullenmarkt („sky is the limit“) erinnerte.
Zumindest vermittelt das in der Nacht zum 1. Mai publizierte US-Stimmungsbarometer der AAII (American Association of Individual Investors), dass auch an den US-Aktienmärkten ein Teil früherer Short-Positionen zurückgedeckt worden sein musste, denn die Stimmung – obgleich immer noch pessimistisch – verbesserte sich zumindest gegenüber der Vorwoche deutlich. Im gleichen Zuge fehlte beim ersten größeren Rücksetzer von DAX und S&P 500 (analog zum Euro) entsprechend die Nachfrage. Kommentatoren sprachen bereits von einer zuschnappenden Bullenfalle an den Aktienmärkten.
Wie eine „leere Zahnpastatube“
Man kann natürlich auch behaupten, die Risikoaversion sei zurückgekehrt. Nicht umsonst schrieb ein Kommentator von einer „leeren Optimismus-Zahnpastatube“ und vom Handelskrieg 2.0, der allerdings noch nicht begonnen hat. Dann sähe es womöglich schlimmer aus. Aber das Thema steht nun wieder im Raum. Zumal es keineswegs US-Präsident Donald Trump allein ist, der sich plötzlich wieder als Herr der Strafzölle aufspielt. Neue Strafzölle, die im Extremfall als Schadenersatz für die angebliche Verantwortung Chinas für die anfangs ungebremste – unterschwellig ist hier sogar von Absicht die Rede – Ausbreitung des Corona-Virus herhalten sollen. Und sollte, so Trump, China seinen Verpflichtungen aus dem Handelsabkommen [gemeint ist der sogenannte Phase-eins-Deal] nicht nachkommen, würden die USA für dessen Ende sorgen.
In dasselbe Horn stießen auch während der vergangenen Tage Außenminister Mike Pompeo, Finanzminister Steven Mnuchin und zuletzt der Chef des Nationalen Handelsrates Peter Navarro. Man muss kein Hellseher sein, um einzuschätzen, wie Chinas Reaktion auf etwaige „Bestrafungsaktionen“ der USA ausfallen wird. Zumal es China ohnehin schwerfallen dürfte, den USA infolge der Corona-Pandemie die im Rahmen des Handels-Deals versprochenen Güter und Dienstleistungen in einem Volumen von 200 Mrd. USD in diesem und dem kommenden Jahr abzunehmen.
Ein nicht wirklich guter Rat
Am Ende werden die Akteure an den Finanzmärkten auszuloten haben, ob die jüngsten Drohgebärden der USA oder mögliche weitere positive Nachrichten im Rahmen der Corona-Pandemie schwerer wiegen. Aktien-Investoren sollten eher mit erneuten Kurszuwächsen rechnen, las ich gestern vom Strategen einer Investmentbank. Aber man solle sich trotzdem auch gegen böse Überraschungen wappnen, hieß es.
Etwas konkreter gestaltet sich die Situation beim Euro, der sich zwar derzeit kurzfristig in einem trendlosen, aber dennoch stabilen Zustand befindet, solange 1,0835 gehalten werden kann.
Hinweis
Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.