Behavioral Living Wirtschaft

Häuserkauf mit Ökonomen (Positionsgüter Teil 3)

am
21. Oktober 2013

Im vorangegangenen Blog-Beitrag zum Thema Positionsgüter hatte ich es bereits angedeutet: Nicht alle Güter sind gleichermaßen positionswirksam. Man muss nur einmal das Gut Einkommen mit dem Gut Freizeit vergleichen. Freizeit unterliegt nicht der gleichen Maßeinheit wie Einkommen (Geld) und ist auch nicht immer direkt messbar oder erkennbar. Im Zweifel ist das Positionsgut Geld leichter zu erkennen, vor allen Dingen, wenn für Geld andere Positionsgüter erworben werden. Tatsächlich ist es genau diese Sichtbarkeit, die eine notwendige, aber nicht die alleinige Bedingung für ein Positionsgut darstellt[1].

Der Ökonom Robert H. Frank hebt hervor, dass die Sichtbarkeit beim Verbrauch eines Gutes von dessen Natur abhängt. So kann man sich ohne weiteres Autos oder Häuser kaufen, Güter, die also jeder sehen kann, um seine gesellschaftliche Position zu verbessern. Eine teure Versicherung indes verändert den Status nur dann, wenn sie fällig wird, weil sie nur dann möglicherweise von anderen wahrgenommen werden kann[2]

Anders ausgedrückt: Ein Gut, dass man nicht mit einem anderen vergleichen kann, weil es nicht sogleich messbar oder auch nur schwer oder überhaupt nicht erkennbar ist, eignet sich nicht zum Positionsgut. Deswegen bezeichnet man solche Güter als positionsunabhängig. Man nehme nur Beispiele wie Ruhezeiten, Urlaub, Gefahren am Arbeitsplatz, das tägliche Pendeln zur Arbeitsstätte, eine gesunde Umwelt oder gar Glück – positionsunabhängige Güter verändern demzufolge nicht die Rangfolge im sozialen Vergleich.

Und so kommt es immer wieder zu Situationen, bei denen Anhänger der Standard-Ökonomie im Sinne eines Adam Smith  den Kopf schütteln mögen. Aber vielleicht hat es selbst ein durch und durch rational argumentierender Wirtschaftswissenschaftler schon einmal am eigenen Leib erlebt, wenn er sich zwischen zwei Welten entscheiden musste. Vielleicht wird er wie die meisten Menschen nicht gerne in einem Umfeld wohnen, in dem er sich zwar stolzer Besitzer eines 1000 m² großen Anwesens nennen darf, alle anderen um ihn herum aber stattlichere Häuser mit 1200 m² großen Grundstücken besitzen. Vielleicht wird er stattdessen – wie übrigens die Mehrheit der Menschen – lieber in einer Straße leben, in der er selbst zwar ein Haus mit einem Grundstück von nur 800 m² bewohnt, die Nachbarn aber allesamt nur 600 m² große Grundstücke ihr Eigen nennen.

Nicht die absolute Größe des Grundstücks ist demnach entscheidend, sondern dessen Größe im Vergleich zu einem Bezugspunkt, also zu den Arealen in der Nachbarschaft. Dabei zieht sich so ein Hauskauf ja meistens in die Länge. Kaum einer greift bei der Haussuche sofort zu. Vielmehr wird wohl in den meisten Fällen lange hin und her überlegt, werden die Vor- und Nachteile der verschiedenen angebotenen Immobilien sorgfältig abgewogen, bevor man den Notar aufsucht. Schließlich bedeutet der Erwerb eines Eigenheims häufig eine Entscheidung fürs ganze Leben, und das möchte man nicht zerfressen von Neid- und Minderwertigkeitsgefühlen als bescheidener Hausherr inmitten von Großgrundbesitzern verbringen.

Gegenbeispiel: Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden am Tag durchschnittlich eine Stunde Fahrtzeit zwischen Wohnung und Arbeitsplatz benötigen, Ihre besten Freunde müssten sogar anderthalb Stunden täglich pendeln. Wäre Ihnen das lieber als eine andere Konstellation, bei der Ihr täglicher  Arbeitsweg 40 Minuten, der Ihrer Freunde aber nur 20 Minuten dauert? Vergleichbare Untersuchungen[3] gezeigt, dass die meisten Testpersonen sich in diesem Fall für die zweite Variante entscheiden würden, obwohl sie eine doppelt so lange Fahrtzeit hätten wie ihr Freund. Offenbar spielt in diesem Fall der Vergleich mit anderen nur eine untergeordnete Rolle. Denn Pendeln ist ein positionsunabhängiges Gut, unter anderem schon weil es dafür keine Zuschauer gibt. Folglich wird hier der absoluten Bewertung  gegenüber einer relativen der Vorrang eingeräumt.

Mehr dazu im nächsten Beitrag.



[1] Ich würde den Begriff der Sichtbarkeit auf „Wahrnehmung“ ausdehnen wollen. So erkennt man ein teures Parfum nicht notwendigerweise an seinem Flacon, wenn dieser herumgezeigt wird, sondern man kann dieses Positionsgut auch riechen.

 

[2] Vgl. Frank, Robert (2011): The Darwin Economy: Liberty, Competition, and the Common Good, Princeton University Press, S. 71

 

[3] Vgl. ebenda S. 69

 

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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