Märkte Wirtschaft

Für ein paar Pfund mehr

am
13. Februar 2014

Als ich heute Früh die Financial Times aufschlug, ist mir noch einmal so richtig klar geworden, was es bedeutet, dass die Bank von England ihre Zinspolitik von der Entwicklung des Arbeitsmarkts ab sofort abkoppeln wird. Bis dato gab ja der geldpolitische Ausschuss als Leitlinie aus, die Zinsen würden frühestens erhöht werden, wenn die Arbeitslosenquote auf eine Rate von 7 Prozent zurückfallen würde. Nun, da dieser Wert wahrscheinlich schon im ersten Quartal dieses Jahres erreicht werden dürfte, sähe sich die BoE eigentlich unter Zugzwang, entweder zu ihrem Wort zu stehen oder die Schwelle der für eine Änderung der Zinspolitik erforderlichen Arbeitslosenquote schlichtweg zu senken. Natürlich käme dies einem Eingeständnis gleich, einen ungeeigneten Indikator für das Wirtschaftswachstum benutzt oder sich ganz einfach verschätzt zu haben. Nun erwartet aber die BoE sogar, das britische Bruttoinlandsprodukt werde im Jahr 2014 um 3,4 Prozent wachsen. Das ist nicht nur eine Anhebung der vorherigen Prognose von 2,8 Prozent, sondern auch mehr als das, was die meisten Analysten erwarten.

Was aber macht der Chef der BoE? Mark Carney verkündete gestern, die Zentralbank würde ihre zukünftigen geldpolitischen Entscheidungen nicht mehr an einen bestimmten ökonomischen Indikator binden. Heißt das also, die Zentralbank wird ab jetzt nach Gusto entscheiden? Nein! Der BoE Chef machte klar, dass die Zinsen sogar bis zu den im kommenden Jahr stattfindenden Wahlen wahrscheinlich nicht steigen würden. Und dies, trotz eines verbesserten Wachstumsausblicks. Die Financial Times folgerte ganz richtig, Schatzkanzler George Osborne würde damit – sofern sich die Vorhersagen erfüllen sollten – eine perfekte ökonomische Kulisse für die Wahlen im kommenden Jahr geboten: schnelles Wachstum, fallende Arbeitslosigkeit, steigende Einkommen und Produktivität. Und keine Bedrohung durch steigende Zinsen. Wer Böses denkt, könnte glatt auf die Idee kommen, der weitaus höher als seine Vorgänger bezahlte, aus Kanada rekrutierte Mark Carney sei eigens dafür engagiert worden, das britische Wachstum aufzupumpen, um Schatzkanzler George Osborne und seiner Konservativen Partei einen Wahlsieg im Jahr 2015 sicherzustellen.

Dies ist jedoch nicht der Grund, warum sich viele institutionelle Anleger vom Aktienmarkt hierzulande verabschiedet haben, wie die jüngste Befragung der Börse Frankfurt zeigt, die mein Kollege Gianni Hirschmüller hier kommentiert hat. Ich selbst habe mich (hier) um die Analysedetails gekümmert.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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