Frau Saubermann
Wir kannten uns nicht und trieben Sport. Im Studio. Sie auf einem Laufband, selbiges steil eingestellt. Ich, ein paar Meter dahinter, auf dem Crosstrainer. Nach 45 Minuten waren wir beide schweißnass. Sie, ein paar Minuten vorher fertig, verließ das Gerät in Richtung Reinigungssäule, der Platz an dem sich der Spender für die Papierhandtücher und die Literflasche Desinfektionsmittel befinden. Eigentlich hätte es jedem klar sein müssen, was jetzt zu folgen hatte. Wo es doch auf jedem Sportgerät draufsteht: Die Bitte um Reinigung nach dessen Gebrauch. Allein die Anwesenheit der anderen drei oder vier mittrainierenden Männer und Frauen wäre eigentlich Garant genug gewesen, dieser Bitte gebührenden Nachdruck zu verleihen – allein ihre Anwesenheit hätte schon genügend soziale Kontrolle bedeutet.
Aber die Frau verschwand, ohne ihrer Verpflichtung, das Sportgerät zu reinigen, nachzukommen – ich kochte innerlich. Wo ich doch eigentlich nur hätte warten müssen, bis die Sportsfreundin aus der Umkleide herausgekommen wäre, um sie vor allen anderen zur Rede zu stellen. Bei einem Mann wäre ich vermutlich reservierter (sprich risikoavers) gewesen, hätte einem Schrank gegenüber vorsichtshalber den Mund gehalten. Aber darf man eine Frau so bloßstellen? Ich tat es nicht. Genauso wenig wie die Mittrainierenden, die eigentlich etwas von all dem hätten mitbekommen müssen. Offenbar gab es neben der Norm des Saubermachens eine noch höher stehende.
Vielleicht wäre der Fall anders gelegen, wenn die Studioleitung eine Belohnung für die Anzeige derartigen Fehlverhaltens – Diskretion garantiert! – ausgesetzt hätte. Mehr darüber Morgen.