EZB-Sitzung wirft Schatten voraus auf den Euro
EUR USD (1,1230) Euro-Optimisten dürften gestern einen nicht ganz einfachen Handelstag verlebt haben. Zwar konnte sich die Gemeinschaftswährung noch einmal befestigen und somit den höchsten Kurs seit dem 18. April dieses Jahres markieren. Aber zum Ende des Handelstages blieb vom Kursanstieg nichts mehr übrig. Die Gründe dafür liegen auf der Hand.
Zum einen möchte wohl der eine oder andere Akteur wegen der heute stattfindenden Sitzung der Europäischen Zentralbank nicht auf dem falschen Fuß erwischt werden, falls es eine taubenhafte Überraschung geben sollte. Diese könnte etwa darin bestehen, dass die sogenannte Forward Guidance, die vorausschauende Orientierung für die künftige Strategie der Geldpolitik, geändert wird. Möglich wäre zum Beispiel, dass der derzeitige Hauptrefinanzierungssatz mindestens bis Mitte 2020 auf seinem jetzigen Niveau verbleibt. Außerdem erwarten die Marktteilnehmer, dass die EZB Einzelheiten für die dritte Serie der gezielten Langfristtender (TLTRO III) bekannt geben wird.
Zudem befindet sich die EZB wegen der im Oktober endenden Amtszeit ihres Präsidenten Mario Draghi ohnehin in einer nicht ganz unproblematischen Situation. Manche Kommentatoren fragen sich, ob Draghis Nachfolger den künftigen schwierigen Aufgaben dieses Amtes genauso gewachsen sein werde wie der jetzige Präsident. So gesehen könnte man verstehen, wenn Draghi durch ein energisches Agieren, und sei es auch nur durch die geänderte Forward Guidance, seinen Nachfolger gewissermaßen psychologisch binden möchte.
Defizitverfahren empfohlen
Marktgespräch war gestern außerdem das von der EU-Kommission empfohlene Defizitverfahren gegen Italien, angesichts des Schuldenberges des Landes von mittlerweile voraussichtlich 135 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den Jahren 2019 und 2020. Und weil die Kommission von einer Steigerung der italienischen Neuverschuldung auf nicht EU-regelkonforme 3,5 Prozent im kommenden Jahr ausgeht. Am Ende des Tages schienen jedoch die Anleihehändler nicht besonders beunruhigt, denn der Renditevorsprung zehnjähriger italienischer Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen mit ähnlicher Laufzeit hatte sich nach einem kurzen Sprung wieder in der Nähe des Vortagestiefs von rund 270 Basispunkten eingependelt.
Dass sich die gute Situation am US-Arbeitsmarkt verschlechtert haben könnte, vermittelte der gestern publizierte Bericht der privaten Arbeitsmarktagentur ADP, der mit einem überraschend niedrigen Stellenzuwachs (+27 Tsd.) für den Monat Mai aufwartete. Damit wurde nicht nur die Medianerwartung der Ökonomen (+185 Tsd.) deutlich verfehlt. Tatsächlich handelt es sich um die schlechteste Zahl seit März 2010. Der damit verbundene kurzzeitige Einbruch des Dollar führte den Euro gleichzeitig auf den höchsten Kurs des Tages von rund 1,1305. Per Saldo erfuhr die positive Stimmung jedoch, wie eingangs erwähnt, zum Handelsschluss einen deutlichen Dämpfer, so dass sich der Euro gerade noch oberhalb der Mitte seiner Konsolidierungszone zwischen 1,1110 und 1,1320/25 halten konnte. Sollte im weiteren Verlauf allerdings 1,1175 fallen, würde die Gemeinschaftswährung ihre Stabilität verlieren und wahrscheinlich noch deutlicher unter Druck geraten.
Hinweis
Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.