Politik

Eine nicht ganz saubere Debatte

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14. Dezember 2010

Die Debatte, die zurzeit in Großbritannien über die Verdreifachung der Studiengebühren bis auf 9000 £ pro Jahr sowie die drastische Kürzung der Zuschüsse für Universitäten geführt wird, erhitzt die Gemüter. Längst geht es nicht mehr nur darum, ob die Studenten mehr für ihre eigene Hochschulausbildung bezahlen sollen oder nicht. Vielmehr wird aufs heftigste gestritten. Dabei hat man Schwierigkeiten, sich eine eigene, klare Meinung zu bilden. Denn jedes Mal, wenn eine Interessengruppe ihre Argumente darlegt, wird die Darstellungs­perspektive (Frame) so geschickt gewählt, dass man sich als Beobachter fast gezwungen fühlt, den jeweiligen Standpunkt dessen, der gerade spricht, anzunehmen.

Nehmen wir einmal eine ganz allgemeine Frage, die von den Befürwortern der neuen Gebühren gerne gestellt wird. Etwa wer für die Studiengebühren aufkommen soll. Der Student, der mit einem Universitätsabschluss seine Einkommensperspektive erheblich verbessern kann, oder der Steuerzahler. Eine so verpackte Frage dürfte viele Menschen zum Schluss verleiten, der zukünftige Hochschulabsolvent sei der große Gewinner – also soll er auch zahlen. Allerdings ist dieser Standpunkt nicht ganz korrekt, denn gut verdienende Hochschulabsolventen dürften für den Rest ihres Arbeitslebens auch mehr zum Einkommensteueraufkommen beitragen. Deswegen sollte der Durchschnitts-Steuerzahler möglichst vielen Menschen eine solche Karriere ermöglichen.

Gegner der Studiengebühren weisen indes darauf hin, dass die Befürchtung, am Ende des Studiums Schulden von etwa 40.000 £ auf dem Buckel zu haben, vor allem Schulabsolventen aus einkommensschwachen Familien davon abhalten könnte, überhaupt ein Studium aufzunehmen. Da ist aus verhaltensorientierter Perspektive tatsächlich etwas dran. Die Schulden werden – selbst wenn sie erst in der fernen Zukunft bezahlt werden – schwerer wiegen als der Gewinn eines zukünftigen Studienabschlusses. Trotz dieser bei vielen Menschen zu beobachtenden Neigung, ihre Entscheidungen irrigerweise von derart diskontierten Ergebnissen abhängig zu machen, ist dennoch eines zu beobachten: Jeder, der sich für ein Universitätsstudium entschieden hat, wird per definitionem einen zukünftigen Studienabschluss höher als den Lohn einstufen, den er stattdessen bei sofortigem Abschluss eines Arbeitsverhältnisses in der Gegenwart erzielen könnte.

Am Ende sind die Argumente beider Parteien von Fehlern behaftet. Doch wie könnte man trotzdem eine Einigung finden? Steuerzahler ohne Studienabschluss profitieren von den Universitätsabsolventen, weil Gutverdiener in höherem Maße zum Steueraufkommen beitragen. So gesehen sollten Studenten so lange wie möglich unterstützt werden. Daher könnte man sich folgenden Kompromiss vorstellen: Zwar müssen die Universitätsstudenten die neuen, höheren Studiengebühren bezahlen. Doch sollten sie gleichzeitig die Chance bekommen, diese Beträge von ihren zukünftig in Großbritannien zu zahlenden Steuern absetzen zu können – Hochschulabsolventen, die ins Ausland ziehen, würden natürlich nicht von diesem Vorteil profitieren. Dieser einfache Schritt hätte den Vorteil, dass die Belastung künftiger Verbindlichkeiten für Studienwillige aus einkommensschwachen Verhältnissen als etwas erträglicher wahrgenommen würde.

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2 Comments
  1. Antworten

    Horst Schmidtke

    17. Dezember 2010

    Sind Einigungen im Sinne einer rationalen Lösung aktuell überhaupt noch gefragt? Wohl eher ist man in der Politik EZB-getrieben bzw. wird man von der Haushaltslage genötigt.

    Den Zugang zu Hochschulen zu limitieren bzw. zu erschweren sollte auch für England langfristig das Abstellgleis bedeuten, denn deren Kohle braucht niemand mehr. Alle anderen Industrien sind nicht mehr existent, also bleibt nur, in Köpfe zu investieren und zu hoffen…

    In den vergangenen 20 Jahren hat man dort nahezu ausschließlich auf die Finanz“Industrie“ gesetzt, wobei allein schon der Begriff Industrie hier mehr als lächerlich wirkt. Am Ende ist es die Reise nach Jerusalem, bei der sich die Teilnehmer jeweils die Taschen voll Papiergeld stopfen, bis einer die entscheidende Frage nach Perspektive und Werthaltigkeit stellt.

    Ich war als ehemaliger DDR-Bürger erst 1992 zum ersten mal in London. Damals sah ich eine Immobilienanzeige eine citynahe Garage für einen (!!!) PKW betreffen, die dort mit seinerzeit 120ooo Pfund x 3 = 360000 DM angeboten wurde. Schon damals hätte man zumindest die Stirn runzeln müssen, denn Werthaltig ist so etwas nur, solange Papier in Massen zur Verfügung steht. Im eigentlichen Sinne tendiert der Wert der Garage aber eigentlich gegen Null.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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