Dehnbares Datum für den Brexit
EUR USD (1,1080) Eigentlich haben in der vergangenen Woche viele Akteure auf eine Lösung im Brexit-Drama gesetzt. Dies lässt zumindest ein Beitrag von Bloomberg vom vergangenen Freitag[1] durchblicken. Danach haben internationale Investoren in der Woche zum 23. Oktober rund 300 Millionen USD in Aktien der EU investiert. Ein Zufluss, der eine 16-wöchige Phase von Kapitalabflüssen beendet und das größte Plus seit Februar 2018 markiert. Gleichzeitig wurde auch meine entsprechende Vermutung bestätigt, die ich bei meiner Kommentierung zum DAX- Sentiment vom 23. Oktober HIER geäußert hatte. Ein Optimismus, der übrigens in erster Linie darauf basiert, dass das Vereinigte Königreich die EU nicht ohne Abkommen verlassen wird. Und so wundert es auch nicht, dass der hiesige DAX die vergangene Woche auf dem höchsten Niveau in diesem Jahr beschloss.
Spielverderber Frankreich?
Ist dieser Brexit-Optimismus angebracht, wo es doch nun am heutigen Montag eine Abstimmung über Neuwahlen für den 12. Dezember im britischen Unterhaus geben soll? Es spricht nicht viel dafür, dass Premierminister Boris Johnson die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit im House of Commons erhalten wird. Unterdessen ist man sich innerhalb der EU weitgehend einig darüber, dass das Brexit-Austrittsdatum vom 31. Oktober verschoben wird. Uneinigkeit herrscht allerdings hinsichtlich der Dauer für die Verschiebung, wobei sich Staatspräsident Emmanuel Macron derzeit wahrscheinlich bestenfalls für eine kurze Verschiebung des Termins erwärmen dürfte. Frankreich ist auf jeden Fall der einzige Staat, der den 31. Januar 2020 nicht als neue Deadline akzeptieren möchte.
„Flextension“ für Großbritannien?
Natürlich kann sich derzeit niemand vorstellen, dass Frankreich als einziges Land der EU die Verantwortung für einen sogenannten No-Deal-Brexit übernehmen möchte – vielerorts wird wie bereits im April noch mit einem Einlenken Macrons gerechnet. Aber zunächst einmal möchte die europäische Seite sowieso erst mal abwarten, ob Boris Johnson mit seinem Antrag auf Neuwahlen Erfolg haben wird. Erst dann soll möglicherweise über ein flexibles Austrittsdatum – eine sogenannte „Flextension“, wie sie dem Vernehmen nach ein EU-Diplomat bezeichnete – bis spätestens 31. Januar 2020 entschieden werden. Dies vor dem optimistischen Hintergrund, dass Boris Johnson seinen mit der EU vereinbarten Austritts-Deal noch vor diesem Datum durch die beiden Parlamentskammern durchbringen kann.
Realistisch betrachtet ist jedoch in der vergangenen Woche in Sachen Brexit weder etwas Signifikantes erreicht, noch ist ein etwaiger No-deal-Austritt tatsächlich vom Tisch. Dieses Risiko dürfte uns noch lange und über den 31. Januar kommenden Jahres hinaus begleiten. Ja, man kann mittlerweile Kommentatoren verstehen, die sich eher einen kurzfristig schmerzhaften Austritt Großbritanniens aus der EU ohne Abkommen vorstellen können, um dieses jahrelange Theater zu Gunsten einer langfristigen besseren Planbarkeit zu beenden.
Neue Impulse durch wichtige Daten?
Fast schon auffallend ruhig gestaltete sich das Geschehen in der vergangenen Woche bei den US-Treasuries, wo etwa die Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit in recht engen, seitwärts gerichteten Bahnen gehandelt wurden. Dies wird sich vermutlich in dieser Woche ändern, da neben der am Mittwoch endenden Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank auch noch wichtige Wirtschaftsdaten zur Veröffentlichung anstehen. Während von der Fed vielerorts eine weitere Zinssenkung von 25 Basispunkten erwartet wird, wird am gleichen Tag ein paar Stunden zuvor die erste Schätzung zum US-Bruttoinlandsprodukt des dritten Quartals publiziert. Dabei liegen die Prognosen der beiden bekannten Modelle der Fed von Atlanta (GDPNow) und der Fed von New York (Nowcast) mit einem BIP von 1,8 bzw. 1,9 Prozent (annualisiert) für das dritte Quartal recht nah beieinander. Darüber hinaus steht am kommenden Freitag der US-Arbeitsmarktbericht für Oktober zur Veröffentlichung an. Dabei geht die Median-Schätzung der Ökonomen von einem Zuwachs von 90.000 Stellen im Nicht Agrarbereich aus.
Unterdessen hat sich der Euro am Freitag weiter abgeschwächt und schloss nur unweit des Wochentiefs von 1,1070. Gleichzeitig musste die Gemeinschaftswährung stärkere bullishe Ambitionen begraben und befindet sich derzeit zwischen 1,1050 (gilt nur heute!) und 1,1155/65 gewissermaßen im Niemandsland. Etwas mehr Stabilität ist nur mit Überschreiten der Obergrenze dieses Bereichs zu erwarten.
Hinweise
Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.
Aus organisatorischen Gründen wird es am morgigen Dienstag lediglich ein kurzes Kurs-Update geben.
[1] https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-10-25/brexit-relief-fuels-biggest-european-equity-inflows-in-20-months