Auf jede Euphorie folgt irgendwann die Strafe
Im Vergleich zu den Entwicklungen an den Aktienmärkten der vorangegangenen Handelstage war der gestrige eher als Ruhetag zu verbuchen. Es ist ja auch nicht ganz einfach, immer wieder die gleiche Story zu spielen, sprich das US-Stimulus-Paket, das, wenn alles gut geht, einen Umfang von etwa 1,9 Billionen USD haben soll. Dabei geht die Bandbreite der Kommentare bezüglich des Programms von „willkommen und unbedingt notwendig“ bis hin zu „überzogen und inflationstreibend“; auch dass das Programm den Falschen zugutekäme und womöglich die Spekulationssucht an den Aktienmärkten fördere, ist mancherorts zu lesen.
Alles bestens unter Kontrolle
Aber ebenso ist von zügelloser, kaum noch kontrollierbarer Gier die Rede. Und wenn es einmal eine Korrektur bei den großen Aktien-Indices gibt wie beispielsweise in der vorvergangenen Woche in Folge des „Aufstands der Privatanleger“ (Stichwort GameStop), ist das für die Finanzmarktteilnehmer längst nicht mehr ein Grund, richtig Angst zu bekommen. Auch wenn die Korrektur eine Größenordnung von 3 bis 5 Prozent erreicht.
Ich habe nicht gezählt, wie oft es in den vergangenen Monaten, aber auch vor Beginn der Covid-19-Pandemie, zu solchen Kaufgelegenheiten gekommen ist, die sich im Nachhinein wie Geschenke für kaufwillige Investoren angefühlt haben. Man könnte es auch anders ausdrücken: Mit jedem Rücksetzer am Aktienmarkt, der anschließend von einer noch stärkeren Rallye abgelöst wird, erhöht sich das Gefühl der Akteure, den Markt immer besser unter Kontrolle zu haben. Und genau das führt zu Overconfidence und oft zu Gier.
Angstfreie Gier
Wenn dann irgendwann überhaupt keine Angst mehr im Spiel ist, also sozusagen eine angstfreie Gier herrscht, könnte man auch von einer Kontrollillusion sprechen, deren Kennzeichen die Euphorie ist. Auch wenn niemand sagen kann, wie viel Euphorie die globalen Aktienmärkte noch vertragen, ist der warnende Zeigefinger vor allem in Interviews mit erfahrenen Tradern förmlich zu spüren, und die insgeheime Botschaft lautet, dass bislang auf jede Euphorie eine Strafe gefolgt ist. Unklar bleibt allerdings, wann dieser Fall eintritt.
… und undisziplinierte Analysten
Während es also an den Aktienmärkten ruhig zuging, gilt dies nicht für das Verhältnis des Euro gegenüber dem US-Dollar. Denn die Gemeinschaftswährung hat sich gestern vor allem für den Geschmack technisch orientierter Analysten mancherorts etwas zu deutlich befestigt. Die Rede ist von der Head & Shoulders-Umkehrformation, die doch vor einigen Tagen (vgl. meinen Kommentar HIER) ein klares Verkaufssignal gegeben hatte. Nun ist diese ausgesprochen beliebte Formation, je nachdem, wann man deren Scheitern zugeben möchte, gestern zumindest nach den Gesetzen mancher Lehrbücher zerstört worden. Auch wenn sich der ein oder andere Analyst, wie ich im Internet lesen konnte, noch ein Hintertürchen offen lässt und lieber abwarten möchte, ob die Formation doch noch funktioniert. Aber ein Hintertürchen dieser Art ist eigentlich nichts anderes als ein Stopp-Loss, eine Verlustbegrenzung, die nicht befolgt wird. Wo doch gerade die Techniker unter den Analysten immer wieder Handels-Disziplin anmahnen.
Für uns ist der Euro gestern mit Überschreiten von 1,2095/00 zumindest soweit gestiegen, dass sich seine Lage etwas stabilisiert hat. Ohne dass dabei derzeit die Bäume in den Himmel wachsen (möglicherweise bis 1,2200). Mit anderen Worten: Es spricht kurzfristig viel für eine fortgesetzte Seitwärtsbewegung, innerhalb derer die Gemeinschaftswährung oberhalb von 1,20010/15 in stabilem Fahrwasser bleibt.
Hinweis
Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.