Märkte

Armes England

am
25. April 2012

Da haben sich wohl einige Finanzmarktteilnehmer etwas zu früh gefreut, könnte man behaupten, wenn man sich die gerade veröffentlichte erste Schätzung des britischen BIP für das erste Quartal zu Gemüte führt: eine Schrumpfung von 0,2 Prozent, zwei negative Quartale hintereinander – das bedeutet Rezession! Und das, wo man sich doch bei der Bank von England offensichtlich gerade erst darauf einstellen wollte, keine weiteren quantitativen Lockerungen vorzunehmen, werden jetzt einige Händler vorschnell behaupten. Ist das jetzt alles Makulatur, wird jetzt doch weiter gelockert?

Ja, es ist schon ein Kreuz mit der Definition einer technischen Rezession. Mental wird einfach der Schalter umgelegt. Die Welt ist nicht nur schlechter als erwartet, sondern richtig schlecht, könnte man meinen. Dabei wird vergessen, dass ein Wachstum von 0,2 oder 0,3 Prozent für Großbritannien auch nicht viel besser als die heutige Schätzung gewesen wäre. Auch wenn die Entwicklung des britischen BIP dann nicht das Label „Rezession“ bekommen hätte. Ganz zu schweigen von den möglichen Revisionen dieser Zahl, die uns noch ins Haus stehen. Daraus auf ein baldiges Umdenken innerhalb der BoE zu schließen, wäre also vorschnell. Allein der unbeteiligte Beobachter, der sich nur gelegentlich mit der Finanzwelt beschäftigt, wird sich von der Stimmung, die jetzt wieder durch die Medien gemacht werden dürfte, anstecken lassen. Aber auch die Welt der Finanzmärkte funktioniert nicht wie ein Schalter – „ein“ oder „aus“. Stattdessen gibt es viele Facetten. Und Ausreden, warum die Prognosen eigentlich hätten anders lauten müssen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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