Anleger immun gegen schlechte Nachrichten
EUR USD (1,0855) Auch gestern war das Geschehen an den Devisenmärkten, zumindest wenn man auf den US-Dollar blickt, kaum der Rede wert. Zwar produzierte der Greenback gegenüber einem Korb an Währungen (gemessen am Dollar-Index) den vierten Tagesverlust hintereinander. Aber angesichts dessen, was sich etwa an den Aktienmärkten abspielte, spiegelt sich die dortige Risikofreude immer noch nicht angemessen im Dollar wider. Tatsächlich bewegt sich die US-Valuta etwa auf dem gleichen Niveau wie zum Zeitpunkt, als die Aktienmärkte das bisherige Allzeithoch (19. Februar) markierten.
Natürlich gab es dazwischen große Kursausschläge in beide Richtungen. Aber angesichts der Tatsache, dass sich etwa die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen seither von knapp 1,6 Prozent um rund einen Prozentpunkt ermäßigt und die US-Notenbank ihre Bilanzsumme durch quantitative Lockerungsmaßnahmen seit Jahresbeginn um mehr als 50 Prozent auf rund 6,5 Billionen USD aufgebläht hat, ist die Widerstandskraft des Greenback doch bemerkenswert.
Rezession interessiert nicht
Daran hat auch die erste Schnellschätzung zum US-Bruttoinlandsprodukt des ersten Quartals, die gestern mit einem Minus von annualisiert 4,8 Prozent publiziert wurde, nichts geändert. Es scheint auch weder die Devisen- noch die Aktienhändler interessiert zu haben, dass der private Verbrauch – eine wichtige Wachstumsstütze –
infolge der Corona-Pandemie in den USA im ersten Quartal um 7,6 Prozent zurückgegangen ist. Nein, selbst wenn solche Daten schlechter als erwartet ausfallen und eine US-Rezession unausweichlich scheint, sind die Teilnehmer an den Finanzmärkten weitgehend immunisiert.
…aber die (rosige) Zukunft
Stattdessen interessiert vielmehr die Zukunft. Und deswegen wundert es auch nicht, wenn sich das Gros der Ökonomen offenbar einig ist, dass die US-Wirtschaft zwar im ersten Halbjahr stark schrumpfen, aber sich im zweiten Halbjahr umso prächtiger präsentieren wird. Eine V-förmige Erholung gilt fast schon als sicher, wenn man etwa zu Beginn der Woche den Worten von US-Präsident Trump oder gestern dessen ökonomischem Chefberater, Larry Kudlow, folgen möchte. Dieser geht nämlich davon aus, dass das US-Wachstum im zweiten Halbjahr ein Plus von 17 bis 20 Prozent aufweisen wird.
Jubel-Rallye geht weiter
Und so setzte sich auch gestern die nicht enden wollende Jubel-Rallye an den Aktienbörsen dies- und jenseits des Atlantiks fort. Dabei wird jeder Hoffnungsschimmer in Sachen Corona-Pandemie zum Anlass für Käufe genommen. Gestern sollen vielversprechende Fortschritte bei der Erforschung des vom Unternehmen Gilead untersuchten Medikaments Remdesivir zur COVID-19-Bekämpfung eine Kaufwelle ausgelöst haben. Dies ist insofern bemerkenswert, als es zu diesem Medikament erst vor Kurzem durchaus widersprüchliche Studien gab. Aber die selektive Wahrnehmung solcher Informationen zeigt, dass nicht nur die Börsianer nach einem Ende der Krise lechzen.
Es kann aber auch gut sein, dass gestern hierzulande auch eine Short-Squeeze den DAX über die 11.000er Marke gehievt hat. Die gestrige Sentiment-Befragung der institutionellen Investoren (vgl. HIER) durch die Börse Frankfurt hatte noch am Vormittag eine unverändert bearishe Mehrheit von institutionellen Investoren ausfindig gemacht. Investoren, die zumindest teilweise gestern Nachmittag die Notbremse gezogen haben könnten.
Fed-Sitzung ohne Überraschungsmoment
Schließlich gab es dann am Abend noch die Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank, bei der erwartungsgemäß keine neuen geldpolitischen Beschlüsse gefällt wurden. Tatsächlich enthielt das Statement wie erwartet eine dramatische Zustandsbeschreibung der US-Wirtschaft. Und sollte sich die Lage, die durch die Corona-Pandemie verursacht wurde, verschlechtern, wird die Fed nicht zögern, zu handeln. Darüber hinaus machte Fed-Chef Jerome Powell in der Pressekonferenz deutlich, dass er weiteren Handlungsbedarf für die Notenbank sieht.
Am Ende des Tages zeigte sich der Euro zwar in recht guter Verfassung, konnte aber auch gestern nicht das Niveau von 1,0895/00 überwinden, um den kurzfristigen Abwärtstrend zu beenden. Insofern bleibt die Unterseite – auch wenn das Trend-Momentum zum Erliegen gekommen ist – immer noch bis 1,0675 recht ungeschützt.
Hinweis
Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.