Behavioral Living Verschiedenes

Am Flughafen: Je weiter, desto besser

am
24. September 2010

Kam kürzlich zurück von einer Geschäftsreise aus Bremen und sollte in wenigen Minuten auf dem Frankfurter Flughafen landen. Ja, ich war richtig guter Laune, als der Purser kurz vor dem Landeanflug verkündete, dass wir ausnahmsweise einmal nicht auf einer Außenposition landen würden. Doch dann erfuhren wir Passagiere die Nummer des Ankunfts-Gate: 42! „Höchststrafe“, grummelte ich. Weiter konnte die Distanz zu den Gepäckbändern nicht sein: Fast 15 Minuten Fußweg. Immerhin ein Trost: Als ich bei der Gepäckausgabe ankam, sah ich schon von weitem meinen Koffer auf dem Band. Den schnappte ich mir und fuhr nach Hause.

Eine Woche später, ich kehrte von einem Kundenbesuch zurück. Dieses Mal aber kamen wir an der ungeliebten Außenposition an. Immerhin brauchte der Bus nur fünf Minuten, bis er uns praktisch direkt an den Gepäckbändern ablud. Und da stand ich nun, wartete geschlagene 15 Minuten, bis mein Koffer endlich aufs Förderband der Fraport AG gespuckt wurde. Entnervt schnappte ich seinen Griff, hievte ihn herunter auf den Boden und verließ, ihn achtlos hinter mir her zerrend, stinksauer die Ankunftshalle. Meine Stimmung war auf dem Nullpunkt, obwohl ich keine Minute mehr Zeit als in der ersten Situation benötigt hatte, bis ich im Taxi auf dem Weg nach Hause saß.

Hätte ich jemals die Wahl, statt mich stets in das von der Fraport vorgegebene Schicksal ergeben zu müssen – ich würde mich trotz des langen Fußmarschs immer für Gate 42 entscheiden. Obwohl ich wirklich weder Fitness-Fan noch passionierter Wanderer bin. Aber Wissenschaftler* haben tatsächlich herausgefunden, dass Flugpassagiere, die einen weiten Weg zwischen Ankunfts-Gate und Gepäckausgabe zurücklegen müssen, glücklicher sind als diejenigen, die sinnlose Wartezeit am Gepäckband totschlagen müssen. Warum? Weil ihnen die Bewegung das Gefühl vermittelt hat, selbst aktiv gewesen zu sein. Statt müßig am Band auszuharren und das Heft des Handelns den Kofferträgern zu überlassen. 

*Christopher K. Hsee, Adelle X. Yang, and Liangyan Wang: Idleness Aversion and the Need forJustifiable Busyness, Psychological Science 21(7) pp. 926–930, 2010

SCHLAGWÖRTER

23. September 2010

28. September 2010

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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