Investmententscheidungen Politik

Jenseits von Gut und Böse

am
22. Februar 2011

Eigentlich wollte ich mich nicht zu Karl-Theodor zu Guttenbergs Promotion äußern – das haben andere schon zur Genüge getan. Auch weiß ich nicht, worin die Grenze zwischen einem kleinen und einem großen Plagiat besteht. Genauso wenig kenne ich den Unterschied zwischen einer bewussten und einer unbewussten Täuschung, wie es Professor Eckhard Freise bei Anne Will am Sonntagabend anhand der Promotionsordnung der Uni Bayreuth zu erklären versucht hat.

Viel erstaunlicher ist für mich auf den ersten Blick die Tatsache, dass 74 Prozent der Deutschen laut einer ARD-Umfrage vom Sonntag[i] der Ansicht sind, zu Guttenberg sollte sein Amt wegen der Dissertationsaffäre nicht aufgeben. Liegt dies etwa daran, dass sich die Deutschen für akademische Arbeiten oder Fußnoten-Rituale prinzipiell nicht interessieren oder womöglich einfach nichts davon verstehen? Oder handelt es sich in ihren Augen beim Abschreiben ganzer Textpassagen nur um ein Kavaliersdelikt?

Die Ursache, dass sich zu Guttenberg immer noch eines breiten Rückhalts in der Bevölkerung erfreuen kann, ist in der menschlichen Psyche zu suchen, für die Werte und Normen eine wichtige Rolle spielen. Von allen Informationseinheiten sind sie sogar die robustesten. Ihnen nicht gerecht zu werden bedeutet, kognitive Dissonanz zu erleiden. Diese entsteht natürlich auch, wenn uns diejenigen, die diese Werte für uns verkörpern oder zumindest besonders lautstark behaupten, dies im Gegensatz zu anderen zu tun, plötzlich enttäuschen. Die erste Reaktion auf diese Enttäuschung ähnelt der eines Händlers, der mit einem Male feststellen muss, dass die Aktien, die er für „richtig gut“ gehalten und daher gekauft hatte, entgegen seiner Einschätzung zum steilen Sinkflug angesetzt haben. Meist wird dieser Anleger aber nicht sofort verkaufen, um etwaige Dissonanzen zu vermeiden, sondern stattdessen nach Informationen suchen, die seine ursprüngliche Entscheidung rechtfertigen. Und alles Unpassende, alle Kritik an den Werten seines Depots wird verharmlost und heruntergespielt.

Genauso mag es sich bei vielen Menschen in Hinblick auf zu Guttenberg verhalten. Da regen sich vermutlich auch nur wenige darüber auf, dass dessen Parteifreundin, Monika Hohlmeier, in der ARD die drei getöteten deutschen Soldaten in Afghanistan als menschliche Schutzschilde für den Verteidigungsminister verwendet. Angesichts dieser schrecklichen Ereignisse solle man doch bitteschön aufhören, Fußnoten zu zählen, so ihr Vorwurf. So zeigt sich wieder einmal: Im Krieg stirbt zuerst die Wahrheit.   


[i] Quelle: ARD DeutschlandTREND extra vom 20.2.2011

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4 Kommentare
  1. Antworten

    tabb

    22. Februar 2011

    Vielleicht liegt der anhaltende Rückhalt in der Bevölkerung auch nur daran, dass die Bevölkerung diesen Skandal als politische Inszenierung der Opposition sieht (womit sie mMn recht hat), um Guttenberg abzusägen.

    Vielleicht ist die Bevölkerung dieser Machtspielchen einer entrückten Kaste, welche zusammen mit den Medien aus ihrer Käseglocke der Hauptstadt heraus, den Menschen erklären will, wie die Realität aussieht, einfach nur leid.

    Vielleicht sehen die Menschen im Verteidigungsminister wirklich eine erfrischende Abwechslung unter den typischen drögen deutschen Politikern. Schließlich hat der Mann bei Opel ohne Ansehen auf sein Amt gehandelt, er hat als Verteidigungsminister mehr erreicht als die drei Versager vor ihm….

    Gruß

    tabb

  2. Antworten

    Hans Meiser

    22. Februar 2011

    Diese Umfragen zur Popularität des Herrn Kriegministers Baron zu Guttenberg sind auf dem Niveau, auf welchen sich Deutschland schon länger befindet (Danke BLÖD, Bertelsmann, RTL, ARD, ZDF und Burda)….nämlich auf Eisbären Knut Niveau. Ach ist deeer niedlich!
    Natürlich sind diese Umfragen auch ein wichtiges Werkzeug in den Händen der Mächtigen, um die Masse zu manipulieren.

  3. Antworten

    Mats

    23. Februar 2011

    Schau mal hier, da erfährt man die Preise für 100.000 bzw. 200.000 facebook Stimmen, ziemlich billig.

    Also wenn du mal dringend 200.00 Freunde brauchst…

    http://hamlethamster.wordpress.com/2011/02/22/zu-guttenberg-facebook-fans-uber-das-wochenende-hektisch-zusammengekauft/

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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