Gesellschaft Politik

D-Mark für Deutschland

am
21. November 2011

Große Aufregung um den deutschen Finanzminister. Die Briten toben, wenn man der Online-Ausgabe der „Daily Mail“ Vertrauen schenken darf. Offenbar hatte Wolfgang Schäuble in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa angedeutet, dass er einen schnellen Beitritt Großbritanniens zum Euro erwarte – schneller, als es mancher auf der britischen Insel glauben würde. Man kann sich gut vorstellen, dass dieses Statement als Provokation aufgefasst wurde und bei vielen Briten nicht gerade begeisterte Zustimmung hervorrief. Auch nicht beim Tory Abgeordneten Philip Davies, denn er wird mit der Replik zitiert, der deutsche Finanzminister solle sich doch besser darauf konzentrieren, die Krise zu lösen, und vor allem gut zu hören, was die Leute in Deutschland wollten. Und die hätten lieber die D-Mark zurück, als Griechenland und Italien retten zu müssen.

Ein cleverer Schachzug von Davies, könnte man meinen. Er drischt verbal auf Wolfgang Schäuble ein und spricht das aus, was sich viele Bundesbürger tatsächlich wünschen: die Wiedereinführung der D-Mark. Nicht, dass es mir genauso ginge. Oder dass das Gros der Menschen hierzulande tatsächlich wüsste, welche ökonomischen Folgen eine irgendwie geartete Rückkehr Deutschlands zur D-Mark überhaupt hätte.  Aber ich kann verstehen, wenn die Menschen vorschnell und oft in einem Anflug von Wehmut und Nostalgie behaupten, mit der D-Mark wäre es ihnen ökonomisch viel besser als mit dem Euro ergangen: Ein leicht eingängiges und einfach nachzusprechendes Gedankenkonstrukt, das aufgrund seiner leichten Verfügbarkeit zu vielen Fehlschlüssen verleiten kann. Eine verführerische Melodie, auch auf der Flöte eines Rattenfängers.

Ich glaube indes, dass sich die Sehnsucht nach der D-Mark gar nicht einmal auf das Zahlungsmittel bezieht. Vielmehr mag die frühere deutsche Währung eine Wertewelt verkörpern, die sich mit Begriffen wie Stabilität, Wachstum, Sicherheit umschreiben ließe – Eigenschaften, die man beim Euro derzeit schmerzlich vermisst und die aus einer besseren Zeit zu stammen scheinen, als es noch keine Krisen heutigen Ausmaßes gab. Vielleicht haben viele Menschen einfach nur die „The-Winner-Takes-All-Mentalität“ satt. Oder auch die Forderung nach „total dedication“, nach der völligen Hingabe bis zur Selbstverleugnung ans Unternehmen, die Rund-um-die Uhr-Verfügbarkeit für die Belange des Arbeitgebers. Dazu der permanente Druck, sich selbst zu optimieren, bis wir uns selbst nicht mehr erkennen.

Wer aber kann garantieren, dass die Wiedereinführung der D-Mark tatsächlich die Rückkehr zu früheren Werten bedeutet, und wer weiß, ob dies überhaupt erstrebenswert ist? Um die Welt fairer zu gestalten, wieder zu sich selbst zu finden und aus der Tretmühle auszutreten, stets mit den anderen mithalten zu müssen, braucht man nicht das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Man kann immer und sofort damit anfangen. Auch wenn der Euro bleibt.

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7 Kommentare
  1. Antworten

    EuroTanic

    21. November 2011

    Die D-Markt wird nichts ändern. Ändern muss sich das politische System, das Finanzsystem, das Geldsystem und vor allem das Bewusstsein der Menschen. Denn wenn jeder einzelne Bürger das Geldsystem heute schon ablehnen würde wäre morgen eine Revolution da. Da tut der Michel aber nicht. Er hat weiter sein Geld bei einer Systembank, und will auch auf seine 1,5% Zinsen seines Kontos nicht verzichten. Mit einer D-Mark die weiter auf dem Zinssystem und dem Fiatmoney beruht ändert sich nichts.

  2. Antworten

    FDominicus

    22. November 2011

    DM war eine Fiat-Währung und die braucht kein Mensch zurück. Nein wenn etwas weiter Reichsmark vor dem 1. Weltkrieg wäre angebracht oder schlicht und einfach Geld als Wert statt Geld als Schuld.

  3. Antworten

    sylvia

    24. November 2011

    Edward Dames: Deutschland wird binnen eines Jahres zur D-Mark zurückkehren

    http://goo.gl/EHLvU
    na bitte…

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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