Behavioral Living Investmententscheidungen

Wirklich lieber zum Zahnarzt?

am
30. Mai 2011

Seit einigen Tagen geistert eine Studie des Forsa-Instituts im Auftrag des BVI (Bundesverband für Investments) durch die Gazetten. „Lieber zum Zahnarzt als zur Bank“[i] oder „sogar der Zahnarzt ist beliebter“[ii] lauten die dazugehörigen Überschriften fast schon ein bisschen reißerisch. Danach vereinbaren 88 Prozent der von Forsa befragten 1000 repräsentativen Bundesbürger regelmäßig einen Termin beim Zahnarzt. Und zwar mindestens einmal im Jahr. Während sich nur 11 Prozent der Befragten regelmäßig mit Ihrem Bank- oder Finanzberater zu einem Treffen verabreden. Denn den übrigen 89 Prozent der Befragten erscheint es nicht so wichtig, nachvollziehen zu können, wie ihr Erspartes tatsächlich angelegt ist.

Natürlich werden hier Äpfel mit Birnen verglichen. Denn der regelmäßige Gang zum Zahnarzt ist uns nicht nur seit Kindheit immer wieder eingebläut worden – ich erinnere mich daran, wie in meiner Jugend das Motto galt: zweimal am Tag Zähneputzen, zweimal im Jahr zum Zahnarzt! Das ist zwar nicht angenehm, aber dennoch eine leicht nachvollziehbare Vorsorgemaßnahme, die auch noch dadurch versüßt wird, dass sie in einem Bonusheft der Krankenkassen festgehalten wird und im Zweifel eine spätere Maßnahme zum Zahnerhalt verbilligen kann. Darüber hinaus sorgt unser gesundheitliches Kontrollbedürfnis dafür, dass wir regelmäßig zum Zahnarzt gehen.

Da verhält es sich beim Gang zum Kundenberater einer Bank schon ganz anders. Natürlich dürften die meisten von uns hinsichtlich Geldanlagen und Vorsorge ein ähnliches Kontrollbedürfnis haben. Allerdings sind Geldanlagen schon etwas komplexer als eine banale Zahnreinigung oder der mechanische Vorgang einer Zahnfüllung. In Geldsachen wird einem überdies recht häufig im übertragenen Sinne der Bohrer des Zahnarztes in die Hand gedrückt. Sprich: Man muss ein bisschen mitdenken, was mehr Aktivität erfordert, als passiv im Zahnarztstuhl zu sitzen. Ja es grenzt schon fast an ein Wunder, dass nur 20 Prozent der Befragten schlechte Erfahrungen mit Finanzgeschäften gemacht haben. Möglicherweise weil die meisten Menschen bislang mit Tagesgeld, Festgeld oder Sparbüchern nicht viel riskiert haben.

Richtig interessant wird Umfrage allerdings, wenn man liest, dass drei Viertel der Anleger eigentlich eine individuelle Beratung wünschen – 41 Prozent wollen Informationsveranstaltungen, die auf sie zugeschnitten sind. Da sind die Kreditinstitute also aufgerufen, deutlich mehr als bisher zu tun. Vor allem in Hinblick darauf, dass zwei Drittel der Befragten in Sachen Geld am ehesten den Rat von Freunden oder Verwandten suchen, die sie hinsichtlich einer Zahnvorsorge kaum aufsuchen würden. Da kann nämlich guter Rat richtig teuer werden, vor allem wenn man bedenkt, dass sich innerhalb dieser Gruppe wahrscheinlich ein großer Teil sich ebenfalls nicht um Finanzprodukte kümmert. Auch wenn wir Menschen, die uns nahe stehen, besonders gerne vertrauen, sind es gerade diejenigen, die in Gelddingen eigentlich unsere „natürlichen Feinde“ sind[iii]. Ganz davon abgesehen, dass sie – meist ohne böse Absicht – genau die oft lahmen Enten empfehlen, bei denen sie selbst investiert sind.


[i] FAZ vom 16. Mai 2011

[ii] FTD vom 26. Mai 2011

[iii] vgl. Eine Trilogie von Neid

 

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1 Kommentar
  1. Antworten

    Romeo

    5. Juni 2011

    Selbst bei einer guten Beratung von der Bank gibt es ein Problem:
    Sie wollen mein Geld behalten und nicht hergeben.
    Schon mal versucht bei der Deutschen Bank 10000 Euro vom Tagesgeldkonto abzuheben und in Bar mitzunehmen? unmöglich.

    Bei der aktuellen Lage gibt es eigentlich nur einen guten Rat: Gold, Silber und andere werthaltige Sachwerte kaufen.
    Weg mit den Zertifikaten, Derivaten, Fonds,…

    Aber die Bank hat natürlich absolut kein Interesse daran, das Geld des Kunden zu verlieren.
    Geld, das in Geld gelegt wird, wird sie wahrscheinlich für die nächsten Jahre nicht wieder sehen.
    Somit ist eine Beratung von der Bank völlig wertlos, denn sie wird ihren Kunden niemals Gold&Silber empfehlen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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