Behavioral Living Märkte

Wenn Goldbarren zu Bitcoins werden

am
4. April 2013

Es scheint also doch noch Spekulationsblasen jenseits der Finanzmärkte zu geben. Wie in den guten alten Zeiten geht es dieses Mal zwar nicht um den Run auf eine besonders seltene Art von Tulpenzwiebeln, die im 17. Jahrhundert sogar das Interesse der breiten Bevölkerung weckte und schließlich in die berüchtigte Tulipmania mündete. Vielmehr handelt man heute zeitgemäß mit Bitcoins, einer virtuelle Währung, deren Wert sich innerhalb von weniger als zwei Wochen verdoppelt hat. Es scheint also doch Menschen zu geben, die sich angesichts der Sonderbelastungen, die den Anlegern in Zypern drohen, nach alternativen Währungen umsehen, die (angeblich) nicht konfisziert werden können. Ein Analyst sprach sogar von einer Art Gold für Computer-Nerds. Da habe ich mich sofort gefragt, ob der jüngste Einbruch beim Goldpreis womöglich auf eine Flucht der Anleger zurückzuführen ist, die sich statt mit schwer transportablen Goldbarren lieber mit den leichteren, aber eben auch nicht unbegrenzt vermehrbaren Bitcoins umgeben wollen. Und das auch noch mit der Aussicht über Nacht reich zu werden, sofern sich ein anderer findet, der bereit ist, noch mehr für die gerade erst erworbene Kunstwährung zu bezahlen. Es zeigt sich also wieder einmal: Vertrauen ist mithin eine Frage von Konventionen, selbst wenn diese nur Modecharakter haben sollten. Wollen wir hoffen, dass beim nächsten Deal in Bitcoins nicht das Endgerät beim Anleger gerade den Geist aufgibt.

 

Ärger mit der Lostrommel

Natürlich möchte auch ich über Nacht reich werden, weswegen ich mich gestern dazu entschlossen hatte, mit einem Quicktipp am Mittwochslotto teilzunehmen. Ich bin mir völlig darüber im Klaren, dass ich dabei nicht nur meine extrem niedrigen Gewinnwahrscheinlichkeiten überbewerte, sondern auch noch an einem Spiel mit negativem Erwartungswert teilnehme. Aber der Spaß ist mir manchmal mehr wert als jede ökonomische Vernunft. Dieser sogenannte Spaß hörte jedoch gestern Abend auf, als ich erfuhr, dass die Ausspielung der Lottozahlen, bei der ich auch noch ausgerechnet vier richtige Zahlen getippt hatte, annulliert worden war, weil zwei Kugeln beim Start des Spielgeräts nicht in die Trommel gefallen waren. Stattdessen gab es eine Ersatzziehung, bei der ich natürlich leer ausging. Nicht auszudenken, wenn ich bei der ersten Ziehung gar sechs Richtige gehabt hätte! Aber auch für meinen „Vierer“ hätte es etwas gegeben – gerade kleine entgangene Gewinne können besonders viel Unmut bereiten.

Über entgangene Gewinne müssen sich indes die Anleger, die bei der jüngsten Korrektur des DAX rechtzeitig eingestiegen sind, nicht ärgern. Ob für diese Investoren weiterhin Anlass zur Freude besteht, können sie dem Kommentar meines Kollegen Gianni Hirschmüller zum DAX-Sentiment, die die Börse Frankfurt jede Woche erhebt, hier entnehmen. Ich selbst habe mich um die Prognosedetails gekümmert, die Sie hier lesen können.

SCHLAGWÖRTER
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8 Kommentare
  1. Antworten

    Tester

    5. April 2013

    Ich muss leider feststellen, dass Sie betreffend Bitcoin nicht ausreichend informiert sind.

    Es bedarf keinerlei spezielle Endgeräte um mit Bitcoins umzugehen, es ist mit jedem internetfähigen Gerät machbar. Es gibt auch keine zentrale Stelle welche Nutzerdaten verwaltet, daher ist ein „Absturz“ auch kein Thema.

    Das müssen Sie sich aufschreiben und merken weil wichtig: um irgendeine Art „Kontrolle“ über Bitcoin zu erlangen, müssten die Regierungen das KOMPLETTE Internetverkehr abfangen, auf Hash-codes filtern, diese Hashcodes entschlüsseln usw., und das ganze ohne den sonstigen Internetverkehr zu stören. Da aber etwa zwei drittel des Verkehrs mit Hash-codes arbeitet, müsste man buchstäblich ALLES durch entsprechende Filter jagen, decodieren, umbiegen, einspeisen usw.

    Kurz zusammen gefasst: technisch absolut nicht machbar, nicht mal denkbar.

    DER große Vorteil von Bitcoin ist eben, dass es weder kontrollierbar noch sonstwie beherrschbar ist. Und dass durch die Begrenzung der Menge keinerlei Blasen möglich sind. Hier greift der tatsächliche Marktwert durch, der Wertanstieg ist nicht viel mehr als ein Abbild des Inflationsverlaufs des letzten Jahres mit verspätung und entsprechend komprimiert, weil die Leute eben erst jetzt einsteigen.

    Entsprechende Wertsteigerungen bei Gold (die übrigens weitaus unsinniger und unrealistischer sind) findet die Fangemeinde in Ordnung, aber wenn was anderes entsprechende Wertzuwächse erfährt, muss es sofort eine Blase sein???

    Mein Rat für die Zukunft: besser informieren und dann erst kommentieren.

    • Antworten

      Joachim Goldberg

      5. April 2013

      Danke für Ihre netten und gutgemeinten Ratschläge. Zu den ersten drei Absätzen Ihrer Einwendungen kann ich nicht viel sagen, da ich dazu keine Stellung bezogen habe. Auch habe ich nie von speziell notwendigen Endgeräten für Bitcoins geschrieben. Ich glaube auch nicht, dass die Regierungen diesen Markt regulieren wollen. Viel interessanter ist doch, ob ich im Falle eines Falles mein in Bitcoins angelegtes Geld eines Tages wiederbekommen würde, ohne einen möglicherweise massiven Verlust zu erleiden.

      Allerdings verstehe ich nicht, wenn Sie die Entwicklung der Bitcoins „als ein Abbild des Inflationsverlaufs des letzten Jahres mit verspätung und entsprechend komprimiert, weil die Leute eben erst jetzt einsteigen“ beschreiben. Aber selbst wenn Ihre Behauptung stimmen würde, sprächen wir dann bei einer Entwicklung vom 17. Juli 2010 bis heute von einem Wertzuwachs von 5 Cents auf ca. 140 USD von einer Hyperinflation.

      Bezüglich der „unsinnigen“ Wertsteigerungen bei Gold gehe ich mit Ihnen konform. Aber ein Gut ist halt so viel Wert, wie dafür bezahlt wird.

      Ich muss Ihnen aber heftig widersprechen, wenn Sie behaupten, bei einem begrenzten Gut seien keinerlei Blasen möglich. Im Gegenteil: Begrenzte Güter sind eine Voraussetzung für Blasenbildung. Auch die von mir zitierten Tulpenzwiebelhausse spielte sich primär bei einer bestimmten Sorte Tulpenzwiebeln (Semper Augusta) ab.

      Tatsächlich gab es bei den Bitcoins im Jahr 2011 schon einmal einen „spike von 2 auf 30 USD, bevor diese Kursgewinne fast alle wieder abgegeben werden mussten.

  2. Antworten

    Tester

    11. April 2013

    Das mit der Inflation war etwas arg überspitzt gesagt, geb ich zu 🙂

    Sicher kann man aus allem eine Blase machen, jedoch ist hier keine Hebelung usw. möglich und es gibt keine Zentralbank und Konsorten, welche die Kurse manipulieren/kontrollieren.

    Es ist auch möglich, dass mein Wallet gestohlen wird oder verloren geht, jedoch lässt es sich dank Logging der IP-Transaktionen jederzeit vollständig herstellen. Es geht nichts verloren.

    Da die meisten Preise „intern“ in Bitcoins deklariert sind, ist es für den Nutzer an sich völlig egal, welchen Wert die Coins im Moment haben (also wenn der Markt erst mal steht). Die Ware kostet z.B. zwei Bitcoins, ob die nun 1€ oder 1000€ wert sind. Noch nicht der Stand der Dinge, wird aber zwangsläufig kommen.

    Man muss das anders betrachten – das Fiatgeld-System bestiehlt uns auch und das ständig – da ist es ganz SICHER, dass wir die ganze Zeit bestohlen werden. Ob durch Inflation oder durch Enteignung wie in Zypern, ist egal. Dazu haben wir auch keinerlei Kontrolle über die Kursentwicklung und sind den „four horsemen“ und co. vollständig ausgeliefert.

    Was ist der wesentliche Unterschied? Eben dass ich Bitcoins als Tauschmittel benutzen kann und keinerlei „Herren“ bestimmen irgendwas dabei. Es ist im Prinzip nur ein Tauschmittel direkt zwischen den Teilnehmern, ohne Mittelsman und Kontrolleur. Wenn ich die Bitcoins rein praktisch nutze (als Verkäufer von Gütern, oder ein Restaurant z.B.), dann ist der Wert wenig rlelevant, da überhaupt kein Bezug zu anderen Werten notwendig ist. Wie beim Fiatgeld, es ist so viel wert, wie wir daran glauben.

    Mal zum Vergleich, wäre Ihnen eine bargeldlose Gesellschaft unter vollständiger Kontrolle der Großbanken etwa lieber? Wo sind da die Vorteile im Vergleich zu Bitcoin? Da ist der Raub nämlich 100% sicher, sieht man ja täglich.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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