Entkommen unmöglich? – oder: Was Sie im ersten Quartal möglicherweise verpasst haben
Eigentlich bin ich es fast schon leid, immer wieder über Sensationsjournalismus schreiben zu müssen. So etwa der vielerorts mit Getöse für den vergangenen Donnerstag angekündigte Bank-Run in Zypern, der dann doch nicht stattgefunden hat und auch nicht hätte stattfinden müssen. Denn die Lage für die Sparer dortzulande schien, wenn auch zum Negativen, weitgehend geklärt. Trotzdem haben diverse Kommentatoren wieder einmal die Ostertage und die Zeit davor dazu genutzt, Angst und Schrecken zu verbreiten. Vor allem für diejenigen, die mehr als 100.000 Euro auf dem Konto haben. Dabei verstehe ich den ganzen Zirkus nicht. Wenn hierzulande ein Kreditinstitut Pleite ginge, würde man doch – abgesehen von einem bestimmten Betrag, den die Einlagensicherung später erstatten würde – ebenfalls seine Einlagen oder zumindest einen großen Teil davon verlieren.
Ein exemplarischer Einzelfall
Der Unterschied zu Zypern besteht vor allem in der Wahrnehmung dieses Sachverhalts. Denn mit den 100.000 Euro, einer runden Summe, für jedermann leicht zu merken, wird in der Eurozone zeitnah und relativ ortsnah (immerhin für Deutschland noch aus sicherer Distanz) der Ernstfall in der Praxis greifbar, exerziert an einem kleinen Land. Für die Wahrnehmung und Verarbeitung dieser Informationen braucht man kein besonderes Fachwissen, die Nachrichten sind eingängig, leicht verständlich und somit für jedermann schnell verfügbar und, auf den Einzelfall hierzulande übertragen, besonders gut vorstellbar. Kein Wunder, wenn solche Informationen gegenüber komplexeren Sachverhalten bevorzugt wahrgenommen werden. Wer jetzt clever ist, höre ich an jeder Straßenecke, verteilt sein Vermögen auf verschiedene Banken (derartiges habe ich bereits zu Beginn der Immobilienkrise in meinem Freundeskreis empfohlen[1]), besser aber auch noch auf verschiedene Anlageklassen, am besten in verschiedene Sachwerte, rät so mancher Anlageprofi.
Auch wenn die Investitionen in Sachwerte zur Werterhaltung des Vermögens auf den ersten Blick ebenfalls leicht verständlich sein mögen, kann ich diesen Tipps nur dann etwas abgewinnen, wenn man von solchen Anlagemöglichkeiten tatsächlich etwas versteht. Wer etwa in Antiquitäten, Oldtimer, Teppiche, Kunst oder gar in teure Rotweine investiert muss über die jeweilige Anlageklasse wahrscheinlich mehr wissen als über den bei mir immer noch hoch im Kurs stehenden Aktienmarkt.
Vermeintliche Sicherheit
Aber reines Wissen garantiert noch nicht den Werterhalt des eigenen Vermögens: Wer heute etwa in einem Nachlass teures Porzellan oder angeblich wertvolle Kunstwerke veräußern möchte, wird sehr schnell feststellen, (auch darüber habe ich bereits mehrfach geschrieben) wie hoch die Handelsspannen zwischen An- und Verkauf solcher Güter sein können: 40 bis 50 Prozent „Wertverlust“ muss man als Verkäufer, sofern man verkaufen möchte, in vielen Fällen einkalkulieren, weitaus mehr sogar, wenn man verkaufen muss. Schnell wird man dann ernüchtert feststellen: Ein Gut ist eben doch nur so viel wert, wie dafür bezahlt wird. Und um einen 50-prozentigen Wertverlust auszugleichen, muss sich der Wert des Investments zuvor erst einmal verdoppelt haben. Viel wahrscheinlicher ist es jedoch, dass nicht die Investoren bei dieser Geschichte den Wert ihres investierten Geldes konservieren werden, sondern vor allem diejenigen daran verdienen, die damit berufsmäßig handeln. So gesehen ist eine 30-prozentige Sonderabgabe auf Einlagen von mehr als 100.000 Euro fast noch der günstigere Weg, von dem es wahrscheinlich kein Entkommen gibt.
Dass Krisenthemen auch die Leser unseres Blogs im abgelaufenen ersten Quartal dieses Jahres stark bewegt haben, zeigt sich an der „Rennliste“ der meistgelesenen Beiträge. Diejenigen Fragestellungen, die unseren Blog normalerweise auszeichnen, also Beiträge zur Behavioral Economics in der Praxis, sind dabei angesichts der Ängste und der verbreiteten Unsicherheit in der Bevölkerung offensichtlich in den Hintergrund getreten. „Ist die Krise wieder da?“ war ein Thema, das unsere Leser besonders stark wahrnahmen. Noch mehr Interesse erfuhr der Kommentar „Nur die schnellen gewinnen beim Bank-Run“. Der meistgelesene Blog der vergangenen drei Monate war (vielleicht auch wegen der etwas reißerisch anmutende Überschrift) „Die Inflation kommt“ – ein Beitrag, der es sogar auf die meisten Leser seit Bestehen von blognition.de. brachte.