Märkte

Verpasste Gelegenheit

am
21. November 2013

Es ist viel passiert, dachte ich mir, als ich vorgestern den Preis der Bitcoins auf 900 US-Dollar springen sah. Das war mehr als eine Vervierfachung im Vergleich zum sagenhaften Donnerstag vor nicht einmal 14 Tagen, als ich mir darüber den Kopf zerbrach, ob ich bei 220 US-Dollar pro BTC einsteigen sollte. Jaja, ich hätte nicht nur auf meinen Kompagnon Herman hören sollen (ich hatte hier darüber geschrieben), sondern auch auf meinen Bauch. Einmal nur, ausnahmsweise. „Ich habe dir doch gesagt, dass man Bitcoins haben muss!“ hallt mir Hermans Stimme immer noch in  meinen Ohren. Habe ich jetzt eventuell die Chance meines Lebens verpasst? Wo sogar Fed-Chef Ben Bernanke unlängst eingeräumt hat, dass digitale Währungen langfristig vielversprechend sein könnten.

Aber immerhin hatte ich ja noch meinen Verstand, um die kognitive Dissonanz, die sich aus dem entgangenen Gewinn ergeben hatte, schnellstmöglich zu reduzieren. Und weil ich mich immer an den Grundsatz halte, nie das ganze Vermögen auf ein Pferd zu setzen, hätte ich Bitcoins ohnehin immer nur als Risiko-Beimischung zu meinem Portfolio verstanden. Nein, mehr als zwei oder drei virtuelle Münzen  – immer den möglichen Totalverlust dieses Investments im Auge – hätte ich sowieso nicht gekauft. So gesehen, wäre ich über Nacht auch nicht richtig reich geworden, beruhigte ich mich immer wieder. Auch kam mir ein Internet Artikel von Forbes gerade wie gerufen, worin es darum ging, dass US-Banken offenbar keine Konten für Bitcoin-Startups und -Unternehmen eröffnen wollen. Gott sei Dank hat es vorgestern Nacht einen Crash bei Bitcoins gegeben, wobei diese innerhalb von Minuten über 30 Prozent ihres Werts verloren (um sich dann wieder um 30 Prozent zu erholen und wieder zu fallen und so weiter). Das relativiert einiges.

 

Psychische Kosten erhöhen Commitment

Aber warum rege ich mich überhaupt so auf, wenn ich doch gar nichts gekauft habe? Es war eben dieses neuerliche Gespräch, das ich mit Herman führte, just in dem Moment, als die Bitcoins am 18.11. zum ersten Mal die 600-Dollar-Marke streiften. Dieses: „Hab ich dir‘s nicht gesagt?“ nagte in mir solange, bis ich mich traute, meinen Kompagnon zu fragen, ob er denn Bitcoins gekauft habe. „Nein“ erwiderte er gelassen und fügte hinzu: „Aber du empfindest mehr Reue als ich. Im Gegensatz zu mir hattest du doch schon ein Konto bei Mt.Gox angelegt, und wer weiß, was passiert wäre, wenn Du den Personalausweis für dessen Aktivierung zur Hand gehabt hättest!“

Tatsächlich hat Herman Recht: Mein Commitment war, obwohl ich wie er nicht einen einzigen Bitcoin gekauft hatte, höher als seins. Allein die Zeit für meine Recherchen und das langwierige Abwägen eines möglichen Kaufs sind zumindest unter dem Posten „psychische Kosten“ als Commitment zu verbuchen. Und diese Bindung im Vorfeld einer Entscheidung kann bereits so hoch sein, dass mancher Anleger, obwohl er eigentlich Zweifel an seinem Investment hegt, dieses dennoch tätigt. Nach dem Motto: Die ganze Anstrengung soll doch nicht um sonst gewesen sein.

Wer sich indes wie ich dafür entschieden hat, keine Bitcoins zu kaufen (nichts zu tun ist auch eine Entscheidung) sollte nicht so häufig zurückblicken. Denn es hat schon manch einen gegeben, dem die Reue über einen nicht vollzogenen Kauf so zugesetzt hat, dass er diesen später doch noch unbedingt nachholen musste. Aber dann zu aberwitzigen Preisen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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