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Unwissenheit soll belohnt werden!

am
17. August 2012

Als die spanische Regierung im vergangenen Monat gemeinsam mit den Vertretern der Eurozone das Rettungspaket für die Banken ihres Landes beschloss, verpflichtete sie sich im Gegenzug, Hybridanleihen, die die Banken zuvor an Anleger verkauft hatten, abzuschreiben. Was nichts anderes bedeuten dürfte, als dass die Inhaber dieser riskanten Produkte, einer Mischung aus Anleihen und Aktien, leer ausgehen würden. Das betrifft auch viele Kunden der spanischen Sparkassen, von denen etliche auf Grund dieser Vereinbarung ihre kompletten Ersparnisse für die Altersversorgung zu verlieren drohen. Kein Wunder also, dass sich die spanische Regierung nachträglich bemüht, die Folgen der eigenen Zusage abzumildern.

Ein Kompromissvorschlag würde beispielsweise vorsehen, dass die betroffenen Sparer nicht ihre gesamten Einlagen verlören, sondern nur eine sofortige und massive Abschreibung auf die Hybridanleihen hinnehmen müssten, verbunden mit dem Versprechen, zu einem späteren Zeitpunkt ihre Einlage zu 100 Prozent zurückzubekommen. Die heute abgeschriebene Einlage würde somit über die Jahre hinweg gut verzinst.

 

Zwei Gruppen von Anlegern…

Abgesehen davon, dass wir, wie wir bereits in einem Blog ausführlich dargelegt hatten (Spaniens Meilensteinchen) aus verhaltensorientierter Sicht der Idee einer Rettung dieser riskanten Spareinlagen mit Hilfe einer Mehrwertsteuererhöhung oder anderer Sparmaßnahmen in Spanien nicht viel abgewinnen können, sollte man außerdem die ethische Dimension dieses Problems nicht unberücksichtigt lassen. Denn vermutlich wurde mit diesen Hybridanleihen nichtsahnenden und gutgläubigen Kunden ein Produkt angedreht, für das sie zum Teil ihre kompletten Ersparnisse ausgegeben haben. Und jetzt könnte das ganze Geld auf einen Schlag verloren sein. Zum anderen dürfte es aber unter den Betroffenen auch Anleger gegeben haben, die durchaus wussten, worauf sie sich bei diesem Kauf einließen.

Als ich aber heute die Financial Times aufschlug, musste ich mich doch sehr über den Vorschlag eines Kommentators wundern. So fordert er, Sparern, denen solche Produkte nachweislich aufgeschwatzt wurden, zu entschädigen. Natürlich auf Basis eines gerichtlichen Grundsatzurteils, aber unter jeweiliger Würdigung des Einzelfalles. Im Gegenzug könne man ja die anderen, smarten Investoren mit einem drastischen Haircut bestrafen, findet der Autor der FT.

 

… aber dasselbe Renditeversprechen

Abgesehen davon, dass eine solche Regelung einen immensen Verwaltungsaufwand mit sich brächte und auch die Wahrheitsfindung nicht ganz leicht sein dürfte, weil sich bestimmt auch so mancher alerte Finanzmarktakteur plötzlich wie ein naiver und unwissender Kleinsparer gerieren würde, scheint doch eines offenkundig: Beide, der unbedarfte Sparer wie auch der smarte Investor, sind dieses Geschäft wohl deshalb eingegangen, weil sie sich davon eine deutlich höhere Verzinsung als bei normalen Spareinlagen erhofften. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Anlegergruppen besteht darin, dass sich der naive Sparer im Gegensatz zum gewieften Investor nie die Frage gestellt hat, warum ausgerechnet ihm so viel mehr Zinsen in Aussicht gestellt wurden als den vielen anderen Kunden seiner Bank. Wer diese Frage – egal, wie smart oder gutgläubig man auch immer sein mag – nicht stellt, handelt in meinen Augen grob fahrlässig und sollte dafür nicht auch noch belohnt werden.

Schon gar nicht von der Gemeinschaft der Steuerzahler.

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1 Kommentar
  1. Antworten

    Franky

    20. August 2012

    Jesus Christus hat schon gewußt warum er die Händler und Wucherer aus dem Tempel geworfen hat, aber wir sind aus Gier bis heute blind geblieben und ignorieren die zeitlos gültigen Lehren von Jesus Christus. Man sollte sich vielleicht mal wieder das Neue Testament schnappen und es wirklich genau lesen…vielleicht wird ja dann der eine oder andere Blinde von seiner Krankheit geheilt?!

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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