Investmententscheidungen Märkte

Computerhandel III: Zyklische Erfolge

am
14. August 2012

Tatsächlich lassen sich für computerisierte Handelssysteme keine regelmäßigen Erfolgszyklen feststellen. Denn die Summe aller möglichen zu verdienenden Extrarenditen, etwa im Devisenmarkt, ist begrenzt. Doch war es in trendreichen Zeiten einigen wenigen „Systemhändlern“ gelungen, beachtliche Gewinne mit computerisierten Handelsmodellen zu erzielen, was deren Mythos begründete und die Neugier vieler anderer Akteure an den Finanzmärkten weckte.

Schon bald gab es daher etliche Nachahmer, Trendfolger, die allesamt nach einem ähnlichen Ansatz handelten, deren Positionen aber insgesamt so groß wurden, dass sie den Markt beeinflussten. Aus Trendfolgern wurden Trenderzeuger. Mit der Folge, dass Trends nicht durch Fehlentscheidungen und Verlustpositionen von Menschen, sondern durch die Handelsmodelle selbst kreiert wurden, weswegen sie auch nicht von allzu langer Dauer sein konnten. Anders ausgedrückt: Systematische Ansätze gingen an ihrer eigenen Größe zugrunde. Die Gewinner dabei waren übrigens jene, die die großen Orders ausführten und aufgrund von deren hohen Volumina eine  entsprechend hohe Sicherheitsmarge verlangten, die natürlich (als Slippage) zu Lasten der Performance der Computertrader ging. Übrig blieben also, trotz aller Disziplin beim Handeln, Verluste, durch die die meisten computerisierten Trendjünger entmutigt und aus dem Markt geworfen wurden. Also waren es wieder Menschen, die in der Mehrheit dort die Entscheidungen trafen, und dank ihrer Schieflagen und Verluste bildeten sich auch wieder ausgedehnte Trends heraus. Und mit den Trends kamen die Gewinne zurück, auch für die wenigen hartgesottenen Computertrader, die bis dahin immer noch nicht aufgegeben hatten. Ihr Erfolg sprach sich schnell herum, auch andere Händler probierten computergestützte Modelle aus, so dass das ganze Spiel wieder von vorne begann.

 

Self-fulfilling destruction

Die größte Gefahr für den trendfolgenden Computerhandel besteht jedoch nicht nur im oben beschriebenen „Dinosaurier“-Effekt, wenn zu hohe Volumina letztlich zu einer so genannten self-fulfilling destruction führen können. Vielmehr ist es der Mensch selbst, der seinen ursprünglich selbst einmal gesetzten Regeln besonders nach einer Serie kleinerer Verluste nicht mehr folgen möchte. Meist rechtfertigt er diesen Abbruch damit, dass die Märkte sich irgendwie geändert hätten und sich plötzlich ganz anders und unberechenbar gebärdeten oder dass Fundamentaldaten (die in solchen Modellen normalerweise ohnehin nichts zu suchen haben!) nicht die gewohnten Reaktionen hervorrufen würden.

Dabei sind es nur eben jene kleinen Verluste, die uns ähnlich ärgern wie mehrere kleine Taxirechnungen. Aber hätte man das nicht vorher wissen müssen, als man sich den viel gerühmten so genannten Track Record, die Erfolgsbilanz des Trendfolgesystems oder -fonds zur Kontrolle angesehen hatte? Und wenn man diesen dann noch einmal genau betrachtet, findet man tatsächlich häufig nur Einzelverluste in einer Größenordnung von weniger als einem Prozent der Performance. Sieht auf dem Papier eigentlich harmlos aus. Selbst wenn das dreimal hintereinander geschieht.

 

Wohlbefinden kostet Geld

Tatsächlich ist etwa ein Gewinn von 10 Prozent beeindruckend. Aber bei den Verlusten vergisst man schnell, dass sie in der Realität viel schmerzhafter sind als in der Theorie. Und man unterschätzt überdies, wie schnell man sich in Wirklichkeit an einen Gewinn gewöhnen kann. Ein Gewinn, den man übrigens bei Trendfolgern oft nicht an der Performancespitze realisiert, sondern erst nach einem Rücksetzer. Und von einem bereits mental vereinnahmten Gewinn etwas wieder hergeben zu müssen, ist besonders unangenehm.

Am Ende ist der Handel mit Trendfolgemodellen langfristig sicherlich als erfolgreich zu bezeichnen. Allerdings besteht das Hauptproblem für den Anwender darin, dass die Gewinne oftmals auf psychisch denkbar unangenehme Weise erwirtschaftet werden müssen. Denn Marktineffizienzen auszunutzen, die durch den Dispositionseffekt anderer Marktteilnehmer entstehen, bedeutet in der Konsequenz, das Gegenteil von sehr menschlichen Verhaltensmustern durchhalten zu müssen. Verhaltensmustern, die auf dem Wunsch beruhen, auf möglichst angenehme Art profitabel handeln zu können. Also mit vielen kleinen Gewinnen und nur wenigen, aber dafür größeren Verlusten. Doch das Handeln mit Computermodellen verläuft anders: möglicherweise sehr viel profitabler, aber durchaus auch unangenehmer. Zwar soll der Rechner die Disziplin aufbringen, die dem Menschen fehlt, aber es wird einem auch viel Disziplin dabei abverlangt, ihm dabei zuzusehen zu müssen, ohne eingreifen zu dürfen. 

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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