Dollar am Morgen Märkte

Ungeliebtes US-Wachstum

am
29. April 2019

Auszug aus meinem Devisen-Frühbericht (näheres dazu HIER):

 

EUR USD (1,1160)             Es ist noch nicht einmal zwei Monate her, da wurde die Prognose eines viel beachteten Wachstumsmodells publiziert, die für die USA ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von +0,3 Prozent (annualisiert) für das erste Quartal dieses Jahres vorsah. Und es war genau dieses Modell, das mit der Zeit immer höhere Wachstumswerte berechnete – am 25. April lag seine Vorhersage immerhin bei +2,7 Prozent. Die Rede ist vom Prognosemodell der Fed von Atlanta (GDPNow), das allerdings die am vergangenen Freitag publizierte erste Schätzung des Handelsministeriums zum US-BIP von +3,2 Prozent noch um einiges verfehlt hat. Trotzdem war es immer noch besser als die Median-Prognose der Ökonomen, die nur bei +2,3 Prozent lag. So gesehen handelte es sich also um eine faustdicke Überraschung, die nicht jedem in den Kram gepasst haben mag. Zumindest, wenn man sich einmal die überwiegend kritischen Kommentare zu Gemüte führt.

         Natürlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass die gleichzeitig veröffentlichten Inflationszahlen für das erste Quartal schwach ausgefallen sind, wenn man etwa die Kernrate des Index der privaten Konsumausgaben (PCE) – die Messzahl, die für die Mitglieder des Offenmarktausschusses der US-Notenbank in Sachen Inflation maßgeblich ist – mit der des vorangegangenen Quartals vergleicht. Aber unter dem Strich wurde die erste Schätzung zum US-Wachstum im ersten Quartal mit dem Prädikat „auf den ersten Blick sehr gut, aber bei genauem Hinsehen, bei Betrachtung der einzelnen Wachstumskomponenten, eben doch nicht so positiv“ versehen. Das hört sich fast so an wie „noch einmal Glück gehabt, aber ab jetzt kann es nur noch schlechter werden“.

          Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis der ökonomische Chefberater des US-Präsidenten, Larry Kudlow, von der US-Notenbank mehr oder weniger offen eine Zinssenkung [Anm: am besten noch bei ihrer kommenden Sitzung] fordern würde, was er denn auch am vergangenen Freitag tat. Die Inflation, so Kudlow zur Begründung, sei nach Maßstäben, die sich die Fed immerhin selbst gesetzt habe, viel zu niedrig. Dabei hat Kudlow offenbar verdrängt, dass die Fed gemäß Mandat nicht nur die Inflation, sondern auch das Wachstum im Auge behalten muss.

          Und wie haben die Märkte reagiert? Immerhin beträgt die implizite Wahrscheinlichkeit für mindestens eine Zinssenkung von 25 Basispunkten in diesem Jahr (vgl. CME FedWatch Tool) rund 65 Prozent, aber dieser Wert hat sich interessanterweise nach Veröffentlichung der US-Wachstumsdaten kaum verändert.

          Unterdessen hat der US-Dollar die vergangene Woche nicht nur gegenüber dem Euro mit einem leichten Dämpfer beendet. Letzterer bewegt sich zwar in einem langsamen, kurzfristigen Abwärtstrend mit Potenzial bis zunächst 1,1065/70. Allerdings würde dieser Trend (Obergrenze 1,1290/95) auf der anderen Seite bereits mit Überschreiten von 1,1175/80 deutlich an Momentum einbüßen.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße Ihre Gültigkeit. Dieser beträgt für EUR/USD 10 Stellen

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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